Internet, wo bist Du?
technisches Armutszeugnis: Aachener Drogenprozess offline
Seit dem 6. Februar 2018 wird vor der 9. großen Strafkammer des Landgerichts Aachen eine Anklage gegen eine angebliche Drogenbande, die über das Internet, genauer gesagt, das Darknet, einen ausgedehnten Handel mit Amphetaminen, XTC und ähnlichen Betäubungsmitteln betrieben haben soll, verhandelt. Auch zahlreiche Einzelsachverhalte aus der Anklageschrift knüpfen an Vorgänge aus der Cyberwelt an, beispielsweise die Digitalwährung Bitcoin, über die die Verkäufe abgewickelt worden sein sollen. So wird dem einzigen Angeklagten, der sich auf freiem Fuße befindet, unter anderem vorgeworfen, ein anonymes Bitcoin-Konto unterhalten zu haben. Dieser Vorwurf ist aber schon durch die Dokumente aus der Ermittlungsakte widerlegt. Bezeichnenderweise ist er einer der ganz wenigen Verdachtsmomente überhaupt, die allesamt so schwach sind, dass das Oberlandesgericht Köln die Untersuchungshaft gegen diesen Mann aufgehoben hat.
Nun wollte er in der Hauptverhandlung vom 14. Februar mittels eines Aufrufes verschiedener anderer Internetkonten dem Gericht demonstrieren, dass auch ein weiterer Punkt, an dem die Staatsanwaltschaft ein vermeintlich strafbares Haar in der Suppe zu finden glaubte, nicht aufrechtzuerhalten ist. Er hätte durch die Präsentation nachweisen können, dass er seit langer Zeit regelmäßig und regulär Gegenstände veräußert, die, anders als die StA behauptet, nichts mit einem irgendwie gearteten Drogenhandel zu tun haben.
Sein entsprechender Antrag wurde abgelehnt, weil, ja weil sich die Strafkammer am LG Aachen technisch außer Stande sah, im Gerichtssaal einen Internetzugang bereitzustellen. Dass so eine Malaise am Technologiestandort Aachen stattfindet, mag manch ein Beobachter als verspätete Karnevalsnarretei ansehen. Faktisch ist es aber eine Ignoranz gegenüber den Verteidigungsinteressen eines Angeklagten, dessen Rechte auf diese Weise beschnitten werden. Sie hat gute Chancen als revisionserheblicher Verfahrensfehler in die Rechtsgeschichte einzugehen. Im Jahre 2018 sollten auch Gerichte in der Lage sein, mit der Technik von heute umzugehen. Dass dem anscheinend nicht so ist, ist ein Armutszeugnis für die Justiz, und zwar eins, das nicht geduldet werden darf.