Im Schatten der Silhouette
Ein
Anti-Burschenschafts-Aufkleber und ein in keiner Weise befangener Richter
Das
an Kuriositäten wahrlich nicht arme Strafverfahren gegen Angehörige des
sogenannten „Aktionsbüros Mittelrhein“ vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts
Koblenz, Aktenzeichen 2090 Js 29752/10.12 Kls ist um eine bizarre Nuance
reicher. Am Dienstag, dem 28. März begann eine „Befangenheitsschlacht“ um
einen Anti-Burschenschafts-Aufkleber, der an der Innenseite der Tür zum
Dienstzimmer des Vorsitzenden Richters angebracht und von außen erkennbar ist. Der Aufkleber
zeigt die schwarze Silhouette eines offensichtlichen Verbindungsstudenten im
Verbotsschild, ein bekanntes Motiv, das von vielen antifaschistischen Gruppen
und Initiativen genutzt wird und häufig mit Kampfvokabeln wie „Verbindungen
kappen“ oder „falsch verbunden“ verwendet wird. Die Richterkollegen halten
das nicht für ein Zeichen von Befangenheit.
Dass
der Vorsitzende einer Staatsschutzkammer in einem Prozess, in dem die rechts/links-Konfrontation
beispielsweise im Falle einer Straßenschlacht anlässlich des Dresdner
Trauermarsches 2011, ständiger Verhandlungsgegenstand ist, einen Aufkleber mit
dezidiert politischer Ausrichtung an seiner Tür kleben hat, ist gelinde gesagt,
bemerkenswert. Dass diese Ausrichtung auch ziemlich unverhüllt als antinational
daherkommt, muss befremden. Folglich wurde sie auch fast einhellig von
Angeklagten und deren Verteidigern, unter denen sich einige Angehörige der
Deutschen Burschenschaft befinden, als offener Affront empfunden und mit
Befangenheitsanträgen beantwortet.
Befangenheitsanträge
erweisen sich im Strafprozess fast durchweg als stumpfes Schwert. Das
Landgericht Rostock hat sogar den angeblich als Scherz gemeinten bei facebook
geposteten Spruch eines Richters: „wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause – JVA“ (http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/wir-geben-ihrer-zukunft-ein-zuhause-jva-facebook-richter-darf-strafrichter-bleiben/13652892.html)
nicht als Zeichen einer Befangenheit angesehen. Im AB- Mittelrhein-Verfahren hat sich das wieder einmal bestätigt. Der abgelehnte Richter hielt mit
abwegigen Ausreden krampfhaft an dem Aufkleber fest. Daher entwickelte sich eine
bizarre Debatte darüber, ob die Gestalt des Aufklebers seit seinem
Bekanntwerden verändert wurde, ob der Verbotsstrich mehr oder weniger
unterbrochen ist und ob es statthaft war, ihn vom Flur aus abzulichten. Als ob
es darauf ankäme. Diese Posse wird vorerst keine Konsequenzen haben. Denn die
Befangenheitskammer des LG Koblenz hielt den Aufkleber nicht für
beanstandungswürdig. Zwar stehen noch weitere ähnliche Anträge zur Entscheidung
an, aber das Ergebnis dürfte das gleiche sein.
Derlei Tendenzbekundungen verbieten sich an einem Gericht eigentlich von selbst. Ein Skandal ist es, wenn sie folgenlos bleiben. Mancher mag sich an den Satz der
Krähen, die einander kein Auge aushacken, erinnert fühlen.
Nachtrag 06.04.2017:
Jetzt wird schon offiziös von einer möglichen Einstellung des Verfahrens gesprochen:
http://www.wormser-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/neonazi-mammutprozess-koennte-spektakulaer-platzen_17802934.htm
Nachtrag 06.04.2017:
Jetzt wird schon offiziös von einer möglichen Einstellung des Verfahrens gesprochen:
http://www.wormser-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/neonazi-mammutprozess-koennte-spektakulaer-platzen_17802934.htm