Lübcke-Prozess: Schlussvortrag der Verteidigung des Angeklagten H:
In dem Strafverfahren OLG Frankfurt/M. – 2 StE
1/20 -5a-3/20, Mordfall Dr. Walther Lübcke hat die Verteidigung des Angeklagten
H am 26.01.2021 ihre Schlussvorträge gehalten. Nachfolgend Auszüge des Mansuskriptes von Dr. Björn Clemens, das allerdings so nicht verlesen wurde, sondern als Basis für einen freinenVortrag diente. Am Schluss ein Link zum vollständigen Manuskript. RAin Nicole Schneiders hat ihr Plädoyer gleichfalls veröffentlicht.
Sie ging dabei zunächst auf die Plädoyers der
Generalbundesanwaltschaft, sowie der Nebenklage ein. Die Bundesanwaltschaft
konnte in ihrem fünfstündigen Plädoyer die politische Zielsetzung nicht
verhehlen, die für sie eine Rolle spielte. Danach war es offensichtlich
erforderlich, dass zwei Täter verurteilt werden, und nicht nur einer. Denn nur
bei zwei Tätern kann die Konstruktion einer Tat aufrechterhalten bleiben, die
aus einer bestimmten politischen, nämlich nach der Zuweisung der Anklagebehörde
rechtsextremen, Ideologie erwachsen ist. Die GenBuA nannte dementsprechend den
Lübcke-Fall ersten rechtsextremen Mord seit dem Anschlag auf
Reichsaußenminister Rathenau. Der Geschädigte sei zum Ziel geworden als Symbol
für die Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Das so zu sehen, ist legitim. Das
trägt allerdings weder etwas zur Feststellung des Sachverhaltes bei noch zur
Ermittlung des Schuldgehaltes. Dafür ist der Mord an Walther Rathenau ebenso so
unbedeutend wie derjenige an Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer oder
Generalbundesanwalt Siegfried Buback wie die drei Attentate auf Kaiser Wilhelm
I. im 19. Jahrhundert oder auch der Messerangriff auf Frau Reker.
Da auch die Nebenklage ihre Ausführungen zur Tat in
politische Sichtweisen einbettete, aus denen sie Maßstäbe für das Urteil
ableitete und sowohl die GenbuA als auch die Nebenklage daraus Folgen für
das Strafmaß gezogen und Signale ausgesprochen wissen wollen, musste
gegen den ursprünglichen Willen der Verteidigung des Angeklagten H. einigen
politischen Verzerrungen entgegengetreten werden. Denn es zeugt von einer
selektiven Wahrnehmung in einem Staat, der den Kampf gegen rechts
institutionell führt, von einer Blindheit auf dem rechten Auge zu sprechen.
Institutioneller Kampf gegen rechts
Er führt ihn seit Jahren und Jahrzehnten durch eine
kaum zu überblickende Masse an staatlich unterstützten und finanzierten
Initiativen, Aufrufen, Aktionen, Programmen, Werbeformaten usw. usw. Erst am
25.11.2020 hat ein Kabinettsauschuss ein weiteres Maßnahmepaket gegen
Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen und mit einer Milliarde Euro
ausgestattet. Dafür könnte man bei einem bruttomietpreis von € 1.000,- die
Jahresmiete von 83.333 Mietwohnungen für sozial schwache Bevölkerungskreise
finanzieren.
Das schlägt sich regelmäßig in tagespolitischen
Aktionen nieder, z.B. um Kundgebungen rechter Gruppen zu stören. Pars pro toto
kann hier der OB einer deutschen Großstadt mit seinem Aufruf zu einer
Gegenkundgebung gegen eine pegidaähnliche Demonstration im Januar 2015 stehen,
die 5000 Leute auf die Straße trieb. Der OB hatte das symbolisch mit dem
Abschalten der städtischen Beleuchtung, einschließlich des Funkturms, begleiten
lassen. Das Bundesverwaltungsgericht BVerwG, 10 C 6.16, 13.09.2017, stellte die
Rechtwidrigkeit des Aufrufes klar. (OVG Münster 15 A 2293/15 vom 04.11.2016).
Dieser Fall ist symptomatisch für die inzwischen leider vielfach anzutreffende
Rechtsverachtung der öffentlichen Gewalt, wenn es gegen „rechts“ geht. (S. auch
Wetzlar.)
Hinzukommt die staatsrechtliche Selbstverortung der
BRD in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:
- BVerfGE 1 BvR 2150/08 vom
04.11.2009: hier definiert das BVerfGE die Bundesrepublik Deutschland expressis
verbis als gegenbildlich identitätsprägend zum Dritten Reich, rechtfertigt
damit das ausdrücklich so benannte Sondergesetz des § 130 IV StGB und erfindet
eine übergesetzliche Ausnahme vom Erfordernis des allgemeinen Gesetzes in Art.
5 GG. Das zu dem Ziel politische Verfolgung zu ermöglichen.
Selbst die öffentliche Ordnung hat das
Bundesverfassungsgericht mit Beschluss 1 BvQ 9/01 vom 26.01.2001 aus dem Grabe
zu neuem Leben erweckt, um damit gegen Versammlungen vorzugehen, in denen eine
unerwünschte Geschichtsauffassung proklamiert wird.
Zu behaupten, der Staat sei im Kampf gegen rechts zu
passiv, ist daher von der Rechtswirklichkeit nicht gedeckt. Das Gegenteil ist
richtig.
Die Verteidigung hätte allerdings nicht dagegen
einzuwenden gehabt, wenn die Bundesanwaltschaft ihre rechthistorischen
Ausführungen etwas weiter ausgedehnt hätte. Dann hätte sie nämlich dem Gericht
und der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass einer der bekanntesten Teilnehmer an
jener Tat, der nachmalige Schriftsteller Ernst von Salomon, als Gehilfe zu
einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, 12 J. 2/1922 St.P.R.
6/22, Urteil vom 13.10.1922, (teilabgedruckt in der Zeitung Der Tag vom 15.
Oktober 1922). Fünf, nicht neun, wie es die GenBuA für den Angeklagten H. forderte,
und das bei einem realen Tatbeitrag. Auch weitere Details des Urteils könnten
fast als Blaupause für unseren Fall dienen, denn es werden darin nahezu
identische Rechtsfragen erörtert. Dazu trug die GenBua aber nichts vor. Sie
muss sie sich also fragen lassen, ob es ihr nur auf den propagandistischen
Effekt ankommt, der eintritt, sobald man den Komplex des Rathenau-Attentates
erwähnt.
Video und Art. 5 und 20 GG
Breiten Raum nimmt in der Argumentation der
Bundesanwaltschaft das Video, das der Angeklagte H. von der Veranstaltung in
Lohfelden am 14. Oktober 2015 gefertigt und ins Netz gestellt haben soll, ein.
Darin sprach der Geschädigte die verhängnisvollen Worte:
„Wer diese Werte nicht vertritt,
kann jederzeit dieses Land verlassen, das ist das Recht eines jeden Deutschen.“
Abgesehen davon, dass das Video, wie später gezeigt
werden wird, für den Tathergang unerheblich war, ist auch die von der
Bundesanwaltschaft indirekt in den Raum gestellte moralische Verurteilung der
Verbreitung des Videos verfehlt. Sie ist es, weil sie die Wertungen der
deutschen Verfassung außer Acht lässt. Denn die Einstellung des Videos in das
Internet war legitim im Sinne der demokratischen Kontrolle der Repräsentanten
der Macht, als der auch der Geschädigte gesehen werden muss, und ist durch das
Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5GG gedeckt.
Kundgebungen und Art. 8 GG
Weiter kann die immer wieder bemühte gemeinsame
Teilnahme der beiden Angeklagten an den gleichen Demonstrationen nur aus der politischen
Stoßrichtung, die die GenBuA verfolgt, verstanden werden. Denn sie hat weder
eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage. Stattdessen leitet sie aus
einer nicht nur allgemein rechtmäßigen, sondern grundrechtlich geschützten
Handlung eine strafrechtliche Relevanz ab, die ihr die Rechtsordnung nicht
zuspricht. Die Verwirklichung des Grundrechts soll eine Beihilfe im Sinne
von § 27 StGB sein. Die Teilnahme an einer Versammlung hat aber nicht dadurch
eine Affinität zu einer Mordtat, dass auf ihr rechte Inhalte verbreitet werden.
In der Konsequenz läuft die von der Staatsanwaltschaft vertretene Rechtsansicht
darauf hinaus, dass rechtsdenkende Bürger auf die Verwirklichung ihres
Grundrechts verzichten müssen, um nicht strafrechtlich des Mordes verdächtig(t)
zu werden. Das wiegt umso schwerer als das Grundrecht aus Artikel 8 GG seit dem
Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 69, 315) in ständiger
Rechtsprechung für die freiheitliche, demokratische Grundordnung als
schlechthin konstituierend gilt. Dafür, dass durch die konkreten Kundgebungen,
die im Verfahren erörtert wurden, eine Radikalisierungswirkung oder überhaupt
eine inhaltliche Wirkung herbeigeführt worden sein soll, hat die HV keine
Erkenntnisse erbracht. Im Übrigen kann es auch genau umgekehrt sein, indem
die vermehrte Teilnahme an Kundgebungen der immer gleichen politischen
Ausrichtung ein Abnutzungs- und Langeweile-Effekt - Eintritt.
Öffentliche Vorverurteilung
Mit ihrer Wertung steht die Bundesanwaltschaft indes
nicht allein. Sie wurde und wird von den Medien lauthals unterstützt, was von
vornherein der Fairness des Verfahrens entgegenlief.
Wir haben erlebt, dass die in der HV in Augenschein
genommenen Videoaufnahmen der Vernehmungen des Angeklagten Ernst an die Presse
durchgesteckt und Original-Teile daraus ins Internet eingestellt wurden; nicht
etwa anonym durch einen geheimen User sondern vom steuerfinanzierten
öffentlich-rechtlichen Fernsehen in seinem Jugendformat STRG-F. In jüngster
Zeit kamen diverse Fernseh- oder Radiobeiträge hinzu. zum Beispiel ein Podcast
aus dem Hessischen Rundfunk vom 22.12.2020 mit dem Titel „Strukturen im
Hintergrund“ hinzu:
Weniger Zurückhaltung legte sich eine Reporterin des
Hessischen Rundfunks in einem Fernsehbeitrag mit dem bezeichnenden Titel „Das
Vorurteil“ vom 10.12.2020 auf, i dem sie in übler Manier Stimmung gegen den
Angeklagten H. Machte. Er sei böse, unerträglich, gefährlich und wahrscheinlich
sogar Mittäter.
Unrühmlicher Höhepunkt war
schließlich die Ausstrahlung des sogenannten Doku-Dramas „Schuss in der Nacht
am 04.12.2020 in der ARD, in der weit vor Abschluss des Verfahrens bereits die
wesentlichen politischen Ergebnisse präsentiert wurden – mit dem Angeklagten H.
als Bösewicht. Das all das dazu diente, Stimmung gegen ihn zu erzeugen und das
Gericht gegen ihn zu beeinflussen, liegt auf der Hand.
Schließlich ergänzte sich das Vorgehen der
Bundesanwaltschaft mit der Nebenklage der Familie Lübcke. Und verlangte immer
wieder innerhalb und außerhalb der HV eine Verurteilung des Angeklagten H als
Mittäter, obwohl die Anklage nur auf Beihilfe lautet. Dabei stach wiederum
deren mediales Vorgehen hervor. Dessen Höhepunkt war eine Presserklärung, die
im Spiegel am 28.11.2020 wie folgt wiedergegeben wurde:
„Die Familie Lübcke hat schon seit
mehreren Wochen den zunehmenden Eindruck gewonnen, dass weitere Aufklärung zur
Tatbeteiligung von H. nicht gewünscht ist, weil dies den Senat in die Gefahr
bringen könnte, die eigene Haftentscheidung revidieren zu müssen.“
Psychische Beihilfe
Psychische Beihilfe ist eine Beteiligungsform, die das
Gesetz so nicht kennt, die aber in der Rechtsprechung und Wissenschaft
anerkannt ist. Aber die Beispielsfälle sind andere, als das, was dem
Angeklagten H. vorgeworfen wird.
So führt Roxin, Strafrecht, AT, Band II, München 2003,
§ 26 C 5 (Rn. 197ff.) folgende Fälle psychischer Beihilfe an:
- Rn. 201: die Fallgruppe der
vorgeleisteten Strafvereitelung, bei der der Gehilfe einen Beitrag dazu
leistet, dass der Täter unentdeckt oder unbestraft bleibt. Wer dem Täter einen
Tarnanzug, eine Gesichtsmaske (sic!) oder ein Staubhemd, RG 8, 267 liefert,
damit er vom Opfer nicht erkannt wird.
- Rn. 201: Gehilfe kann auch sein, wer
dem Täter (vorab) für den Fall einer polizeilichen Untersuchung ein Alibi
verspricht.
- Rn. 200: die Zusage gegenüber einer
Zeugin zu ihrer unwahren Aussage in einem Ehescheidungsprozess zu schweigen
- Rn. 200: die Geldbeschaffung für
eine zur Schwangerschaftsabtreibung bereits entschlossene Frau
- Rn. 200: Zusicherung der Geleibten,
den Ehemann. der zur Ermordung vorgesehenen Frau nach der Tat zu heiraten
Alle diese Varianten sind nur scheinbar auf den
Angeklagten H. zu übertragen, denn ihnen ist gemeinsam, was bei Herrn H. selbst
nach der ausdrücklichen, bis heute beibehaltenen, Einschätzung der
Bundesanwaltschaft gerade fehlt: das sichere Wissen um die Haupttat. Der
schwache (nämlich geistige) Tatbeitrag ist in diesen Fällen durch das starke
Willenselement ausgeglichen.
Dagegen
„reicht die bloße Solidarisierung
mit dem Täter, die Bekundung von Zustimmung zu seinem Vorgehen oder von
Sympathie damit, für eine strafbare Beihilfe nicht aus. Denn dadurch wird
ein Tatentschluss weder stabilisiert noch auf eine breitere Grundlage
gestellt.“
Fälle psychischer Beihilfe, bei
denen der Gehilfe keine Kenntnis von einer konkreten Tat hat, sind weder in der
Literatur, noch in der Wissenschaft anerkannt.
Widersprüche:
Ein bemerkenswerter Widerspruch des Plädoyers zeigt
die Angreifbarkeit der Argumentation: So führte es aus, der Angeklagte Ernst
sei von einem tiefverwurzelten Fremdenhass geprägt, er habe ein tief
eingeschliffenes inneres Weltbild besessen und habe seit Jahren eingeschliffene
Denk- und Verhaltensmuster gezeigt. Das hat auch ein psychiatrisches Gutachten
bestätigt.
Nur, wenn das so ist, wenn der Angeklagte Ernst seit
Jahren dem selben Weltbild verhaftet ist, wenn dieses Weltbild von
Ausländerfeindlichkeit gespeist ist und ihn dazu führt, dass er Gewalttaten
gegen Menschen verübt, wenn es weiter so eingeschliffen (O-Ton OStA K.)
ist, dass eine Haftstrafe dem keinen Abbruch tut, wie kann dann der Angeklagte
H. für eine Radikalisierung des Angeklagten Ernst verantwortlich sein? Ja wie
ist es dann überhaupt möglich, ihn zu radikalisieren? Die Antwort lautet: Das
ist nicht möglich: ein Mensch, der charakterlich so klassifiziert wird,
wie es die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer tut, kann nicht radikalisiert werden,
er braucht nicht radikalisiert zu werden.
Ferner hat die Bundesanwaltschaft keinen Zeitpunkt
definiert, wann und worin sich der Vorsatz des Angeklagten H. manifestiert
haben soll. Auch im Plädoyer heißt es insoweit nur: „Spätestens“ (im Juli 2016).
Ein Spätestens ist aber prozessual unbedeutend, weder belastbar noch
falsifizierbar.
Der Bundesgerichtshof, hat mit Beschluss
3 StR 435/11 vom 28.02.2012, zu den Anforderungen an den Gehilfenvorsatz
entschieden::
„Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen
Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts-
und Angriffsrichtung im Sinne bedingen Vorsatze mindestens für möglich
halten und billigen.“ [H.d.V.]
Das heißt, ein Angeklagter müsste seinen angenommenen
Tatbeitrag auch als solchen erkannt haben. Die HV hat aber nicht die kleinsten
Feststellungen darauf ergeben, dass der Angeklagte H. in dem uferlosen Zeitraum
von drei Jahren sich jemals klargemacht hätte, nun im Sinne einer etwaigen
gegen das Leben einer anderen Person gerichteten Beitrag zu leisten. Und die
Bundesanwaltschaft hat solches bis zum heutigen Tage auch nicht vorgetragen.
Auch die NK argumentiert mit Widersprüchen, denn die
Schilderungen des Angeklagten E, bezüglich der angeblichen Positionen, der beiden
auf dem Grundstück des Opfers passen nicht zum Schusskanal.
Interessanterweise trat im Schlussvortrag der
Verteidigung E zu Tage, dass die Familie der NK den Verteidigern gestatteten,
das Anwesen der Familie in Istha zu besichtigen.
Lücken:
Nicht erwähnt wurden von der GenBuA folgende
Erkenntnisse der HV:
-
Der angeklagte E nahm im Juni 2011 an einer
Sonnenwendfeier bei einem Zentralgestirn des rechten Aktivismus teil und ließ
sich hierbei auf einem Foto ablichten Herr Ernst ist also mitnichten 2009 aus
der Szene ausgestiegen, und es bedurfte sicherlich nicht eines Herrn H. oder
überhaupt eines Anstoßes von anderen Personen, damit Herr Ernst wieder
Anschluss an die Szene bekam.
-
E
hat am Arbeitsplatz rechtsgerichtete Zeitschriften verteilt und Kollegen
aufgefordert, an Pegida-Kundgebungen teilzunehmen
-
E
verkaufte zwei Arbeitskollegen Waffen, was herauskam und dazu führte, dass sie
ihren Arbeitsplatz verloren
-
Von
einem Kollegen verlangte E ein Alibi, da er ursprünglich die Tat bestreiten wollte.
Bei einem Haftbesuch dieses Kollegen erwähnte er einen etwaigen Einfluss des
Angeklagten H im Sinne der Tat auf ihn nicht.
.
Feststellungen in der HV,
Einzelpunkte
Behandelt wurde in der noch folgendes:
-
angebliche
Ausspähung des Lübcke-Anwesen im Frühjahr 20118. Dabei konnte der Zeuge, ein
Sohn des Opfers den Angeklagten H nicht erkennen, sondern nur grob die
gesehenen Personen beschreiben. Die von ihm angegebenen Wetterverhältnisse
stimmen nicht mit der Dokumentation des Deutschen Wetterdienstes überein.
Außerdem hatte der Zeuge als NK monatelang Gelegenheit, die Aussage des
Angeklagten E anzuhören und wirkte in all der Zeit stark emotionalisiert und
feindselig gegen den Angeklagten H.
-
Ein
Ermittlungsrichter schilderte die angebliche Reaktion des Angeklagten H. auf
den Haftbefehl. Ihm lag jedoch seinerzeit eine andere Verdachtslage zugrunde.
Ob der Angeklagte aber wirklich so reagierte, wie der Zeuge sagte, darf
bezweifelt werden, denn in seinem Prozessverhalten finden wir Gesichtspunkte,
die Anlass geben, beides zu hinterfragen. Er zog ein anderthalbseitiges
computergeschriebenes Dossier aus der Tasche, das er nach seiner Aussage „privat“
(sic!) angefertigt habe, weil ihm das Verhalten des Angeklagten
H. in höchster Weise auffällig vorgekommen sei, und zwar so sehr, dass es ihm
wichtig gewesen sei, das für sich zu verschriften. Wenn es aber so wichtig und
nachgerade verfahrensrelevant war, dann durfte der Zeuge darüber keinen Privatvermerk
anfertigen, den er der Akte vorhält. Ein Ermittlungsrichter im Amt ist nicht
Privatperson, und ein solcher Vermerk gehört in die Akte. Ansonsten wird sie
unvollständig. Das ist ein Verstoß gegen den prozessualen Grundsatz der
Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit. Außerdem ist der Zeuge mit dem
Sitzungsvertreter der GenBuA befreundet.
-
Video:
Abgesehen von der
Tatsache, dass gegen die Erstellung und Verbreitung des Videos von der
Veranstaltung in Lohfelden weder juristisch noch moralisch etwas eingewandt
werden kann (s.o.), hatte dieses Video keinen Einfluss auf die Tat. Der
Angeklagte Ernst bedurfte des Videos nicht, um von dem Vorgang in Lohfelden
Kenntnis zu erlangen. Denn er war ja selbst in Lohfelden dabei! Dieses Video
hat deshalb prozessual keinen Erkenntniswert.
-
Kirmes:
Der Angeklagte E hat
sich ausführlich zum Tatzeitpunkt, einem Kirmeswochenende eingelassen. Zu den
angeblichen diesbezüglichen Absprachen wusste er nichts mitzuteilen, Doch wäre
das das einzige Detail gewesen, das es überhaupt zu erörtern galt. Denn wenn
angeblich schon seit Jahren alles auf die Tötung von Herrn Lübcke
hinausgelaufen sein soll, dann wäre als einzig offener Punkt der Zeitpunkt
verblieben. Dazu hat Herr Ernst immer wieder angegeben, die Kirmes hätte sich
angeboten, weil man unter den vielen Anwesenden nicht aufgefallen wäre. Das ist
in der HV kaum hinterfragt worden, aber es ist mitnichten so
selbstverständlich, wie es sich anhört; im Gegenteil: Man mag unter vielen
Kirmesgängern nicht auffallen. Aber gleichzeitig besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit, überhaupt gesehen zu werden. Wenn hunderte an Leuten
herumlaufen, muss man doch befürchten, gesehen, vielleicht sogar erkannt zu
werden. Auch das Auto kann gesehen werden, es können banale Hindernisse
eintreten, damit angefangen, dass man keinen Parkplatz findet, oder im
Anschluss an die Tat zugeparkt ist und nicht die Flucht antreten kann. Es mag
daher auf der einen Seite, unauffällig sein, während des Rummels in Istha
herumzulaufen, auf der anderen Seite aber auch höchst riskant. Es ist nicht
vorstellbar, dass es darüber nicht zu Diskussionen zwischen den beiden
Angeklagten gekommen sein soll, vor allem nicht, wenn der Angeklagte H. der
Stratege ist, als den ihn der Angeklagte Ernst hinstellen möchte. Es ist auch
nicht nachvollziehbar, dass Herr Ernst mit Herrn H. erwogen haben soll, Herrn
Dr. Lübcke zunächst auf der Kirmes zu suchen und ihn dort ggfs. zur Rede zu
stellen. Vorhergehenden Aussagen widersprechend, es sei seit langem, spätestens
seit einem Treffen nach einer Veranstaltung im Schützenverein, das der Angeklagte
monatelang beharrlich auf April festlegte, und erst als das mit anderen
Ergebnissen nicht zusammenpasste auf den Mai verlegte, festgelegt gewesen,
Herrn Dr. Lübcke zu töten, hat der Angeklagte Ernst noch einmal in der HV vom
10.12.2020 eine frühere Aussage aufgegriffen, der Abend sei ergebnisoffen
geplant gewesen, um diese Kirmesversion plausibel erscheinen zu lassen. Die
Kirmes hat jedoch in einem anderen Punkt eine Bedeutung, und zwar eine
symbolische. E hatte gesagt
Bei mir war das so, ich dachte: Guck
sie dir alle an, guck sie dir an, die feiern da, für die scheint die Welt in
Ordnung. Und ich dachte so: Um uns herum sterben doch die Leute, ich möchte,
dass der Terror zu ihnen kommt“
Zusammenfassung:
Erstens:
Beim Angeklagten E ist ein grundlegendes
Verhaltensmuster festzustellen: Fehler sucht er bei anderen, denen er die
Schuld für eigene Fehler oder Verhaltensmuster zuschiebt:
- Für die Ausländerfeindlichkeit war
sein Vater verantwortlich, da der Angeklagte ihm durch die angebliche Übernahme
dieser Anschauung imponieren wollte.
- Für den Anschlag auf den türkischen
Imam in Wiesbaden im Jahr 1993 war das Tatopfer selbst verantwortlich, weil es
Herrn Ernst sexuell belästigt habe.
- Für den behaupteten Ausstieg aus der
rechten Szene waren Kameraden verantwortlich, weil sie seine Frau beleidigt
hätten.
- Für die negativen Folgen der
Merkelschen Ausländerpolitik bis hin zu Gewalttaten durch Flüchtlinge war Herr
Dr. Lübcke verantwortlich.
- Für dem angeblichen Wiedereinstig in
die rechte Szene und die weitere Radikalisierung war angeblich der Angeklagte
H. verantwortlich.
Dieses Verhaltensmuster setzte sich im Prozess nahtlos
fort:
- Für das erste Geständnis, bei dem er
angeblich wahrheitswidrig den Angeklagten H. nicht belastete, war der
Verteidiger W. verantwortlich.
- Für das falsche zweite Geständnis,
bei dem er den Angeklagten H. als versehentlichen Schützen benannte, war der
ehemalige Verteidiger Hg. verantwortlich.
Diesbezüglich hat der Sachverständige ausgeführt.
„Herr Ernst hat in der Exploration
generell dazu tendiert, die Hintergründe eigener problematischer
Verhaltensweisen auf externe Faktoren zurückzuführen.“
Zweitens:
Sowie er andere für eigene Fehler verantwortlich
macht, bindet er sie auch bedenken- und rücksichtslos in eigene Straftaten ein:
- Den Zeugen A1. versuchte er für ein
falsches Alibi zu missbrauchen
- Den Zeugen L2 versuchte er für die
Hilfe beim Entsorgen der Waffen zu missbrauchen
- Eben diesen Zeugen missbrauchte er
als Abnehmer für Waffen, die er auch noch an der Arbeit verkaufte. So führte er
die Entlassung L2s herbei
- Gleiches gilt für den Zeugen M.
Die Verteidigung sieht darin dasselbe Verhaltens- und
Charakterbild, aus dem heraus der Angeklagte Ernst den Angeklagten H. mit einer
Tat belasten will, an der er keinen Anteil hat.
Drittens:
hat er sich in zahlreichen Punkten widersprochen,
Dinge verzerrt, falsch dargestellt oder ist der Lüge überführt:
Viertens:
hat der Angeklagte Ernst sein Aussageverhalten
während des gesamten Prozesses, auch schon im Vorverfahren immer dem
Erkenntnisfortschritt sowie den Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden, bzw.
die er angenommen hat, angepasst. Dabei hat er spätestens seit der Aussage der
Zeugin BL. am 03.12.2020 eine Art geistigen Ping-Pong-Spiels mit der Nebenklage
entwickelt, bei dem sich beide die Bälle zugeworfen haben. Der Angeklagte Ernst
hat genau erkannt, dass die Nebenklage mit der Brechstange den Angeklagten H.
in die Tat involviert wissen wollte und will. Von der Verbissenheit, mit der
die Nebenklage dieses Ziel verfolgt, konnten wir uns noch einmal am 12.01.2021
überzeugen. In der Öffentlichkeit wird es ja seit langem lautstark kommuniziert
(s.o).
Am Schluss des Verfahrens kam schließlich heraus, wozu
der Angeklagte E sein Spiel betrieben hat. In der HV vom 21.01.2020
präsentierte und offenbarte er über seine Verteidigung am 21.01.2021 das
durchsichtige Motiv seiner falschen Angaben: Durch die Belastung des
Angeklagten H. erhofft er sich Entlastung vom Mordmerkmal der Heimtücke. Dazu
brauchte er den zweiten M. am Tatort. Denn sie soll die im Sinne des
Mordparagraphen notwendige Arglosigkeit des Tatopfers entfallen lassen. Da das
natürlich nur dann etwas nützen kann, um seine Tat vom Vorwurf des Mordes auf
den des Totschlages zurückzustufen, hat der Angeklagte Ernst darüber hinaus
erklären lassen, dass er, in einer rechten Blase sitzend, sich eingebildet
hätte, durch seine Tat etwas für das Allgemeinwohl zu tun. Man kann sich
fragen, ob das stimmt oder konstruiert
ist.
Der Angeklagte Ernst neigt zur frisierten
Wahrheit und zur Abschiebung der Verantwortung für eigens Verhalten auf andere.
Das hat zu etlichen Versionen der Tat geführt, von denen keine einzige für sich
stimmt – soweit sind wir uns mit der Bundesanwaltschaft einig – die man aber
nicht eklektizistisch zusammensetzen kann, um wie die Bundesanwaltschaft zu
einem gewünschten Ergebnis zu kommen. Vielmehr sind schon allein auf objektiv
tatbestandlicher Ebene so viel Ungereimtheiten zu Tage getreten, dass der
Angeklagte nach dem Zweifelsgrundsatz freizusprechen ist. Da darüber nicht
bewiesen werden kann, dass der Angeklagte H. „irgendwann“ oder „spätestens irgendwann“
die erforderliche Vorstellung von der Haupttat hatte, ist für ihn sowohl der
objektive als auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt.
Er ist freizusprechen.
Ferner beantrage ich auszusprechen, dass der Angeklagte H. für die erlittene Untersuchungshaft nach den Vorschriften des
StrEG zu entschädigen ist.
Dr. Björn Clemens, RA
Hier zum Volltext: https://drive.google.com/file/d/1PJS2XqprjkV5xMkkShVU7miIC2acmvBS/view?usp=sharing