Karlsruhe
legt sich quer: Kein kurzer Prozess um Autonome Nationalisten Göppingen
BGH schiebt 129er Inflation einen Riegel vor
Am heutigen 25. August 2016 sollte vor dem Landgericht Stuttgart ursprünglich ein weiteres Strafverfahren wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB beginnen. Am 13. August 2015 waren dort die vier angeblichen Rädelsführer der Autonomen Nationalisten Göppingen allesamt zu Freiheitsstrafen (bzw. Jugendstrafen) verurteilt worden. Das Gericht in seinem Optimismus hatte sich offensichtlich vorgestellt, in einem „verschlankten“ Folgeverfahren nunmehr dreizehn weiteren angeblichen Mitgliedern oder Unterstützern der AN GP ebenfalls das Prädikat „kriminelle Vereinigung“ anheften zu können. Dem hat der Bundesgerichtshof mit seinem kürzlich veröffentlichen Beschluss 3 StR 86/16 vom 31. Mai 2016 (siehe:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=277dcf27b9912393bac68e24006b8c9e&nr=75577&pos=0&anz=1
einen Riegel vorgeschoben. Der BGH hat darin noch einmal
hervorgehoben, dass Bagatelledelikte wie etwa Schmierereien und ähnliche nicht
schwerwiegend genug sind, um daraus eine kriminelle Vereinigung abzuleiten.
Solche Delikte bildeten jedoch das Schwergewicht der Taten der ANGP. Der Beschluss ist eine Ohrfeige für die Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart unter
ihrer Vorsitzenden Manuela Haußmann. Sie hatte es bei einem 183seitigen Urteil
auf gerade einmal anderthalb Seiten (!) für nötig befunden, die Frage der
kriminellen Vereinigung rechtlich zu würdigen. Möglicherweise wollte der BGH
signalisieren, dass es nicht angängig ist, mit einer solchen Oberflächlichkeit
einer Kameradschaft das Verdikt anzuheften, ein Gangstersyndikat zu sein.
Möglicherweise wollte er auch der in letzter Zeit eingerissenen Gewohnheit
einen Riegel vorschieben, politisch unliebsame Gruppierungen unter Missbrauch
des Strafrechts zu bekämpfen, so wie es seit vier Jahren vor dem Landgericht
Koblenz gegenüber dem Aktionsbüro Mittelrhein geschieht. Recht hat er:
Argumente statt Prozesse!
Die
Verhandlungstermine des zweiten Aufgusses wurden jetzt abgesetzt. Nebenbei ist
damit in Stuttgart der Versuch gescheitert, durch eine willkürliche Aufspaltung
eines einheitlichen Vorgangs in zwei Prozesse, zunächst mit Aussteigern oder
anderen aussagebereiten Angeklagten Fakten zu schaffen, die dann im
Anschlussverfahren den verbliebenen Gruppenmitgliedern nur noch übergestülpt zu
werden brauchen. Auf diese Weise wird im ersten Verfahren ein Vor-Urteil im
Wortsinne geschaffen. Denn niemand kann ernsthaft erwarten, dass die gleichen
Richter im Folgeverfahren neutral urteilen werden. Außerdem werden so den
Angeklagten des zweiten Verfahrens sämtliche prozessualen Rechte entzogen, auf
das Ergebnis des ersten Verfahrens, wo es besonders wichtig wäre, Einfluss zu
nehmen, z.B. durch eigene Fragen oder Beweisanträge. Die Vorgehensweise des LG
Stuttgart war daher rechtsstaatlich höchst bedenklich. Nun gibt es also
zunächst einmal keinen kurzen zweiten Prozess. Es bleibt spannend.