Donnerstag, 25. August 2016

Karlsruhe legt sich quer: Kein kurzer Prozess um Autonome Nationalisten Göppingen
 

BGH schiebt 129er Inflation einen Riegel vor

  

Am heutigen 25. August 2016 sollte vor dem Landgericht Stuttgart ursprünglich ein weiteres Strafverfahren wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB beginnen. Am 13. August 2015 waren dort die vier angeblichen Rädelsführer der Autonomen Nationalisten Göppingen allesamt zu Freiheitsstrafen (bzw. Jugendstrafen) verurteilt worden. Das Gericht in seinem Optimismus hatte sich offensichtlich vorgestellt, in einem „verschlankten“ Folgeverfahren nunmehr dreizehn weiteren angeblichen Mitgliedern oder Unterstützern der AN GP ebenfalls das Prädikat „kriminelle Vereinigung“ anheften zu können. Dem hat der Bundesgerichtshof mit seinem kürzlich veröffentlichen Beschluss 3 StR 86/16 vom 31. Mai 2016 (siehe:http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=277dcf27b9912393bac68e24006b8c9e&nr=75577&pos=0&anz=1


einen Riegel vorgeschoben. Der BGH hat darin noch einmal hervorgehoben, dass Bagatelledelikte wie etwa Schmierereien und ähnliche nicht schwerwiegend genug sind, um daraus eine kriminelle Vereinigung abzuleiten. Solche Delikte bildeten jedoch das Schwergewicht der Taten der ANGP. Der Beschluss ist eine Ohrfeige für die Staatsschutzkammer des Landgerichts Stuttgart unter ihrer Vorsitzenden Manuela Haußmann. Sie hatte es bei einem 183seitigen Urteil auf gerade einmal anderthalb Seiten (!) für nötig befunden, die Frage der kriminellen Vereinigung rechtlich zu würdigen. Möglicherweise wollte der BGH signalisieren, dass es nicht angängig ist, mit einer solchen Oberflächlichkeit einer Kameradschaft das Verdikt anzuheften, ein Gangstersyndikat zu sein. Möglicherweise wollte er auch der in letzter Zeit eingerissenen Gewohnheit einen Riegel vorschieben, politisch unliebsame Gruppierungen unter Missbrauch des Strafrechts zu bekämpfen, so wie es seit vier Jahren vor dem Landgericht Koblenz gegenüber dem Aktionsbüro Mittelrhein geschieht. Recht hat er: Argumente statt Prozesse!



Die Verhandlungstermine des zweiten Aufgusses wurden jetzt abgesetzt. Nebenbei ist damit in Stuttgart der Versuch gescheitert, durch eine willkürliche Aufspaltung eines einheitlichen Vorgangs in zwei Prozesse, zunächst mit Aussteigern oder anderen aussagebereiten Angeklagten Fakten zu schaffen, die dann im Anschlussverfahren den verbliebenen Gruppenmitgliedern nur noch übergestülpt zu werden brauchen. Auf diese Weise wird im ersten Verfahren ein Vor-Urteil im Wortsinne geschaffen. Denn niemand kann ernsthaft erwarten, dass die gleichen Richter im Folgeverfahren neutral urteilen werden. Außerdem werden so den Angeklagten des zweiten Verfahrens sämtliche prozessualen Rechte entzogen, auf das Ergebnis des ersten Verfahrens, wo es besonders wichtig wäre, Einfluss zu nehmen, z.B. durch eigene Fragen oder Beweisanträge. Die Vorgehensweise des LG Stuttgart war daher rechtsstaatlich höchst bedenklich. Nun gibt es also zunächst einmal keinen kurzen zweiten Prozess. Es bleibt spannend.