Montag, 25. Februar 2019

UND NOCH EINMAL

Dritter Anlauf im Strafverfahren Aktionsbüro Mittelrhein (ABM)


Am 26. Februar 2019 beginnt vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz zum dritten Mal die Hauptverhandlung gegen vermeintliche Angehörige des Aktionsbüros Mittelrhein. Mittlerweile richtet sich der Prozess nur noch gegen dreizehn von ursprünglich sechsundzwanzig Angeklagte (n), gegen die dreizehn anderen wurde das Verfahren entweder eingestellt oder abgetrennt; es hat auch einige Verurteilungen gegeben.  

Der erste Anlauf wurde am 20. August 2012 unternommen. Er scheiterte im Mai 2017 nach 337 Verhandlungstagen, weil der Vorsitzende Richter in Pension ging und kein Ersatzrichter mehr zur Verfügung stand. Der zweite Versuch blieb gleich am Anfang stecken, weil es Zweifel an der funktionellen Zuständigkeit der Kammer gab, die zwischenzeitlich von ihrer Eigenschaft als Staatsschutzkammer entbunden worden war. Dass sie nunmehr behoben sind, ist zumindest fraglich und dürfte zu weiteren prozessualen Schwierigkeiten führen.     

Wenn jetzt das inzwischen achte (!) Prozessjahr beginnt, steht von vorn herein fest, das unter strafprozessualen Gesichtspunkten keine bedeutenden Ergebnisse mehr zu erzielen sein werden. Eine lange Verfahrensdauer wirkt bei jedem Tatvorwurf strafmildernd. Vorliegend gilt das aufgrund der angeklagten Delikte erst recht: es stehen keine Kapitalstraftaten wie Raub, Mord, Totschlag oder etwa Sprengstoffdelikte im Raum, sondern fast ausschließlich kleinere oder mittlere Vergehen. Unter anderem wird die Kammer aufzuklären haben, ob eine Versammlung unangemeldet durchgeführt wurde oder es diverse Propagandadelikte gab. Einer der schwersten Einzelvorwürfe betrifft eine Straßenschlacht in Dresden im Jahre 2011, die die Staatsanwaltschaft als schweren Landfriedensbruch bewertet. Weil außerdem sämtliche Angeklagten monatelang in Untersuchungshaft saßen, einige genau 666 Tage, wird das abzusehende Strafmaß weiter abgeschwächt.

Bei dieser Sachlage, bei der Aufwand und vermutliches Ergebnis in einem solchen Missverhältnis stehen, wäre jeder andere Prozess eingestellt worden. Warum das hier nicht so ist, lässt sich aufgrund einer Äußerung im Justizausschuss des Landtages von Rheinland-Pfalz vom 21.07.2015 erahnen. Damals sagte der Abgeordnete Wilke, CDU,
    

„... es wäre für die Gesellschaft dieses Landes und für die politische Kultur äußerst wichtig, wenn dieses Verfahren zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden könnte. Dies wäre der dringende Wunsch der CDU. [H.d.V.]“ 


Warum es für die politische Kultur wichtig ist, dass ein Strafprozess zu einem erfolgreichen Abschluss gelangt, ist nur ersichtlich, wenn man gleichzeitig weiß, was bestimmte Kreise unter einem "erfolgreichen" Abschluss verstehen. Die Angeklagten waren Teil des nationalen Widerstandes und somit einer politisch unerwünschten Bewegung, die sich um die Jahre 2009/10 in damals gängigen politischen Aktionsformen, die heute anachronistisch wirken, betätigte. Der Kampf gegen rechts ist also das Ziel des Verfahrens. Die Angeklagten sollen in den Stammbaum geschrieben bekommen, dass sie illegal gehandelt haben; auch um ein Drohsignal an potentiell Gleichgesinnte auszusenden.

Ähnliche Mechanismen finden sich leider des öfteren. Sie leiten z.B. auch den krampfhaften Versuch, der AfD das Mäntelchen der Verfassungsfeindlichkeit wenigstens propagandistisch überzustreifen. Der Missbrauch des Rechts für politische Zwecke ist ein Spiel, das der Staat immer spielt, wenn er sich mit dem politischen Gegner nicht argumentativ auseinandersetzen will. Statt sie auf der inhaltlichen Ebene anzunehmen, will er sie als Rechtsfeinde diffamieren, und deshalb muss das ABM-Verfahrens auf Biegen und Brechen weitergeführt werden.   

(Az. 2090 Js 29752/10.12. Kls)