Überlange Verfahrensdauer
LG Koblenz stellt Prozess um Aktionsbüro Mittelrhein ein
Das Landgericht Koblenz hat heute den am 20. August 2012 begonnenen und mithin nahezu fünf Jahre geführten Strafprozess gegen mutmaßliche Angehörige des sog. Aktionsbüros Mittelrhein (ABM) wegen überlanger Verfahrensdauer eingestellt (Az. 2090 Js 29752/10.12 Kls). Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig, da die Staatsanwaltschaft eine Woche Frist hat, um eine sofortige Beschwerde einzulegen. Darüber müsste das OLG Koblenz entscheiden.
Das Gericht stellt zurecht darauf ab, dass bei der Frage der (Über-) länge nicht nur die bislang verstrichene Zeit zu betrachten ist, sondern auch die noch zu erwartende. Da das Verfahren derzeit ausgesetzt und nicht nur unterbrochen ist, müsste es vollständig von vorne beginnen. Auch wenn durch die Verringerung der bereits ausgeschiedenen Angeklagten und prozessuale Maßnahmen eine Straffung erreicht werden kann, dürften doch mindestens weitere drei bis vier Jahre gebraucht werden, um dann zu einem Abschluss zu kommen.
Der Beschluss lässt an einigen Stellen recht deutlich die Verärgerung des Gerichts darüber erkennen, dass es den Prozess nicht beenden konnte. immer wieder wird den Angeklagten "Sabotage" vorgeworfen. Das ist aber verfehlt. Denn es kann niemand ernsthaft erwartet haben, dass sie aktiv an ihrer eigenen Verurteilung mitwirken. Der Strafprozessordnung sind solche Regungen nicht fremd. Daher kennt sie Instrumente, um ihnen entgegenzuwirken. Außerdem haben sie sich dem - politisch motivierten - Verfahren nicht freiwillig unterzogen. Es ist daher etwas seltsam, ihnen eine Blockadehaltung vorzuwerfen. Gleiches gilt für die Verteidiger, die ebenfalls in dem Beschluss kritisiert werden. Doch sollen sie vielleicht sagen: "Bitte verurteilen Sie meinen Mandanten schnell und hart."?
Das Gericht muss sich daher selbst fragen, wie es schneller hätte vorankommen können. Vor allem aber muss sich die Staatsanwaltschaft und damit letztlich die Politik fragen, wie lange sie noch Strafverfahren politisch überfrachten will, um damit unliebsame Personen zu kriminalisieren. Hätte man das ABM-Verfahren von der politischen Thematik entkernt, wäre es zwar auch kein kurzer aber ein beherrschbarer Prozess geworden. Dann hätte man aber möglicherweise auf den eigentlichen Effekt, den man im Sinn hatte, verzichten müssen. Das kam nun vorerst als Bumerang zurück.
Im übrigen kommt der Einstellungsbeschluss auf einige bemerkenswerte Einzelbegebenheiten der letzten fünf Jahre zurück. Dazu zählt es meine Stellungnahme zu einem Antrag auf Abtrennung eines Singvogels. Sie lautete:
Was
ich im Saale letztens hörte
Ein
wenig mich doch leis empörte
Dem
muß ich was entgegenstellen
Ich
hoff der Vize wird nicht bellen
Mit
Schmeichel kann ich nicht entzücken
Die
Tränendrüse auch nicht drücken
Mich
in den grauen Staub nicht werfen
Und
auch den Rechtskampf nicht entschärfen
Erwartend
daß Herr D. nicht weine,
versuch
ich mich wie Heinrich Heine
denn
des Gerichtes jüngstes Treiben
lässt
sich nur mit Humor beschreiben
In
einem Jahr konnt man erleben
Des
hohen Rechtes wahres Streben
Doch
steht nicht viel in den Bilanzen
Seht
her im Großen und im Ganzen:
Wo
Koblenz liegt im deutschen Lande
Gehts
gegen kriminelle Bande
Mit
Pomp und Mediengetöse
Bekämpft
der Staatsanwalt das Böse
Wir
traten häufig auf der Stelle
Die
Zeugen kaum besonders helle
Der
Hauptverdacht blieb ungekläret
Was
offenkundig keinen störet
Und
als das erste Jahr zu Ende
Da
ruft ein Anwalt nach der Wende
Dort
in der großen Staatsschutzkammer
Beklagt er seine Katzenjammer
Betrübter
Stimmung gibt er kund
Sein
Schützling leide wie ein Hund
Er
stehe krankhaft unter Stress
Drum
müss er raus aus dem Prozess
Die
Lösung hat er schnell parat
Denn
für des Jünglings Femetat
Man
die gerechte Prämie kennt
Verfahrensteil
wird abgetrennt
Zu
rechter Zeit hinausgestiegen
Die
Strafen lasset andre kriegen
Er
hat doch wie erwünscht gesungen
In Unsrem
Ohr hats schal geklungen
Denn
ob er noch so furchtbar leidet
Zusammenhalt
und Ehre meidet
Lasst
mich ganz laut und deutlich sagen
Die
Haft ist auch nicht leicht zu tragen
Darum
verlang ich vom Gericht
Bewilligt
seinen Antrag nicht
Bei
Gott ist anderes zu tun
Und
was das ist, das sag ich nun:
Mit
diesem solln sie sich befassen
Die
Sieben aus dem Knast entlassen
Allmählich
ist es überzogen
Mit
falschem Maß wird hier gewogen
Damit
die Männer hinter Mauern
Nicht
länger ohne Urteil kauern
Die
Haft darf keine Stund mehr dauern
Sonst
wird Justitia erschauern
Das,
was ich also ernsthaft sprach
Erkennt
der Name Volk als Schmach
Nach
einem Jahr ists langsam Zeit
Wir
fordern ein Gerechtigkeit!