Samstag, 9. Juni 2018

Vom Bauchgefühl zum Haftbefehl

Kriminalistische Erkenntnisse aus Schilda


Am Landgericht Aachen zieht sich seit Februar 2018 ein Prozess gegen fünf Angeklagte wegen bandenmäßigen Drogenhandels dahin. Die bisherigen Zeugenaussagen sind recht unergiebig. Insbesondere die Polizeibeamten machen keine gute Figur. Fast immer berufen sie sich auf ihre Kollegen, deren Erkenntnisse sie nur schriftlich zusammengefasst haben wollen. "Ich habe das nur übernommen", ist einer der am meisten gehörten Sätze im Gerichtssaal.

Am 4. und 6. Juni 2018 durften sich die Anwesenden dann aber ein Bild davon machen, wie eine Observation im März 2017 real vonstatten gegangen war. In Zentrum stand eine obskure unbekannte, schwarz gekleidete Person, die eine sogenannte Gegenobservation durchgeführt haben soll. Damit ist gemeint, dass sie die angebliche Tathandlung, hier das Einwerfen von Briefen, gefüllt mit Rauschgift, beobachtet haben soll, um festzustellen, ob der Vorgang von Dritten, sprich möglichen Polizeibeamten, observiert wird. Von diesem Unbekannten wussten die Zeugen nur zu berichten, dass er eine Zeit lang auf einer Bank saß, dann die Straßenseite wechselte und verschwunden war, nachdem ein Linienbus die Szenerie passiert hatte. Wie wurde er zum Verdächtigen? Durch Befragung? Durch Prüfung der Personalien? Durch Verfolgung? Nein, durch das Bauchgefühl der beteiligten Polizisten. Ob der Bauch hungrig oder gesättigt war, ist nicht bekannt geworden, nur leider hat sich sein Gefühl als sehr verfestigte Tatsache in einen Haftbefehl fortgesetzt, wo die angebliche Gegenobservation eine wesentliche Grundlage abgab.  

Als wenn das nicht bizarr genug wäre, hat eine Polizistin den Verfahrensbeteiligten am 06.06.2018 von einer besonders erlesenen Methode berichtet, wie die Polizei Aachen verdächtige Briefe erkennt: Durch einen Nachwurf, das heißt indem ein großer Briefumschlag unmittelbar nachdem ein Verdächtiger einen Brief in den Kasten geworfen hat, hinterher geworfen wird. Dadurch soll bei einer Leerung der Verdachtsbrief erkannt werden (liegt ja direkt vor dem Nachwurfbrief). Wer jemals miterlebt hat, welcher Wust an Briefen aus dem Auffangsack eines Briefkastens quillt, wie dort die Briefe durch. und umeinander fallen, wie sie kreuz und quer liegen, verrutschen, sich hochkant stellen usw. der kann das, was die Polizei hier als ernstzunehmende Ermittlungsmethode präsentierte, nur als Schildbürgerstreich bezeichnen. Leider bleibt dreien der fünf Angeklagten das Lachen darüber im Halse stecken. Denn sie müssen sich in der Zelle darüber amüsieren. Kein gutes Bauchgefühl.      

Az 69 Kls 22/17