Mittwoch, 18. Juli 2018

Vorankündigung: Gabriel vor Gericht

Flüchtlingspolitik auf dem Prüfstand


Der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel muss sich am 27. Juli 2018 vor dem Landgericht Hamburg in einem Zivilverfahren für die Flüchtlingspolitik, die er in seiner Eigenschaft als Vizekanzler mitverschuldet hat, verantworten. Formal ist er dabei der Kläger. Gabriel hat einen Gewerbetreibenden aus Sachsen auf Unterlassung in Anspruch genommen, der einen satirischen Modellgalgen vertrieben hatte, bei dem jeweils ein Platz symbolisch für die Bundeskanzlerin und ihren Stellvertreter reserviert war. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat ein diesbezüglich geführtes Strafverfahren am 09. März 2017 wegen Nichtvorliegens eines Tatbestands gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt (Az. 204 Js 61677/15). Dennoch sieht sich Gabriel durch  dem symbolischen Galgen in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt. Dem ist das Landgericht Hamburg in einer fragwürdigen Entscheidung vom 13.12.2017, mit der es eine Einstweilige Verfügung gegen den Beklagten erließ, ohne sie jedoch inhaltlich zu begründen (sic), gefolgt. Nun wird die Klage in der Hauptsache verhandelt.

Bei näherem Hinsehen ergeben sich aber einige Gesichtspunkte, die gegen Gabriel sprechen, wobei es in einem, solchen zivilprozessualen Verfahren nicht darum geht, ob der Streitgegenstand möglicherweise geschmacklos ist, was man sicherlich so empfinden kann. Stattdessen ist zu fragen, welche Aussage darin steckt und wie sie juristisch gerechtfertigt werden kann oder eben  nicht. Dabei spielt eine Rolle, dass sich der Streit um eine bedeutsame politische Frage, die in der Öffentlichkeit heiß debattiert wurde und wird, rankt, dass der Kläger in diesem Zusammenhang selbst das Volk als "Pack" diffamierte, usw.  Kunst- und Meinungsfreiheit sind zu beachten.

Entscheidend dürfte hier folgendes sein: Mit dem Symbolgalgen attackierte der Beklagte nicht die Person Sigmar Gabriel, sondern die Flüchtlingspolitik der seinerzeitigen Bundesregierung, der man durchaus das Etikett Rechtsbruch anheften kann, wie ähnlich auch Horst Seehofer zu sagen beliebte. Welche Entwicklung damit über Deutschland hereingebrochen ist, lässt sich mittlerweile täglich miterleben. Auch die Ermordeten der illegal nach Deutschland eingereisten Flüchtlinge gehen mit auf das politische Schuldkonto der (damals) Herrschenden. Auf dieses Versagen aus dem Jahre 2015 reagierte der Beklagte auf seine Weise. Ob das so sein musste, kann man in Zweifel ziehen. Vor Gericht geht es aber darum, ob er es durfte. Im übrigen sollte sich Herr Gabriel einmal fragen, was der größere Skandal ist: ein Volk und Staat bedrohender Zustrom kulturfremder Massen, oder eine holzgewordene Provokation gegen einen der Verantwortlichen. 

(LG Hamburg 324 O 623/17 und 324 O 53/18)        


Donnerstag, 5. Juli 2018

Demo oder Nicht-Demo ist die Frage


Freispruch vor dem LG Dortmund in einem Pfeffersprayprozess 


Das Landgericht Dortmund hat am 04.07.2018 einen jungen Mann vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz in Gestalt des Mitführens von Pfefferspray freigesprochen. Er hatte am 3. Oktober 2016 mit ein paar Freunden versucht, eine linksgerichtete Demonstration in Hamm zu beobachten, war aber weit im zeitlichen und räumlichen Vorfeld von der Polizei abgedrängt worden. Daraufhin wollte er selbst eine Spontandemonstration bzw. Mahnwache anmelden. Das jedoch unterband der zuständige Polizeibeamte. Es fehle das Thema. Stattdessen wurden der Angeklagte und seine Begleiter durchsucht, bei einigen von ihnen Pfefferspray gefunden und gegen sie Anzeigen nach § 27 des Versammlungsgesetzes erstattet. Die soeben noch untersagte "Demo" gab nun den Vorwand des Mitführens von Waffen bei einer angeblichen Versammlung ab.

Der Prozess, der mit einem Strafbefehl in Höhe von 20 Tagessätzen zu 30 Euro begann, erstreckt sich bis jetzt über anderthalb Jahre und ist mit diesem Berufungsurteil noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Viel Einsatz also um wenig Lohn? Nein. Bei geringfügigen Strafmaßen stellt sich immer die Frage, ob der Beschuldigte Rechtsmittel einlegen sollte. Oft dürfte, selbst bei einem Freispruch, der finanzielle Aufwand größer sein als bei Hinnahme einer niedrigen Geldstrafe. Dementsprechend hatten die Begleiter des Angeklagten ihre Strafbefehle hingenommen. Jedoch ist zu bedenken, dass solche Kleinverfahren häufig der Einstiegsanker des Staates sind, um politische Aktivisten zu kriminalisieren. In späteren Verfahren bleibt es dann nicht bei zwanzig Tagessätzen, und irgendwann auch nicht mehr bei Geldstrafe. Wehret den Anfängen also auch in diesem Bereich. Außerdem muss sich niemand vom Staat offiziell zum Kriminellen ernennen lassen, der es nicht ist oder überzeugt ist, es nicht zu sein, zumal wenn, wie hier, die Fragwürdigkeiten recht offen zu Tage liegen: erst Mahnwache nein, um die Betroffenen an der Meinungskundgabe zu hindern, dann Mahnwache ja, um sie zu bestrafen.

Das Gericht bestätigte nunmehr die Rechtsauffassung des Angeklagten. Wo keine Versammlung stattfindet, kann man auch keine Waffe zur Versammlung mitführen, so ist das bislang nur mündlich vorliegenden Urteil sinngemäß zusammenzufassen. Der Kampf kann sich also lohnen. Zwangsläufig ist das sicher nicht; man kann ein solches Verfahren verlieren; aber: wer nicht kämpft, hat schon verloren.  


LG Dortmund 45 Ns 600 Js 38/16 (Vorinstanz AG Hamm)