Die Profi-Hetzer
Oder: wie die L-Presse den Rechtsstaat untergräbt
Anwalt
und Medien war schon immer ein Thema. Im Zeitalter der Stimmungspresse ist es ein
besonderes Thema.
„Achtung: Drogenanwalt verteidigt Grünen-Politiker“,
„Skandal: Pädophilenanwalt vertritt Abgeordneten der Linkspartei“, „Vorsicht:
Verteidiger vertrat schon Türken.“ Solche reißerischen Überschriften liest man
in der bundesdeutschen Qualitätspresse genau so wenig wie etwa folgende Zeile:
„Der Ausländerbeirat wird in dem Rechtsstreit von jenem zweifelhaften Advokaten vertreten, der ansonsten abgelehnten und kriminellen
Scheinasylanten eine Duldung auf Kosten des deutschen Steuerzahlers
verschafft.“ Dass solche Pressepolemik ausbleibt, ist zu begrüßen. Denn der
Rechtsanwalt vertritt nicht die inhaltlichen Anliegen des Mandanten sondern
dessen prozessuale Rechte, die ein juristischer Laie nicht wahrnehmen kann.
Davon abgesehen, sind Advokat und Partei zu trennen. Der Anwalt sollte daher
auch nicht der Versuchung erliegen, sich zum politischen Sprachrohr des
Mandanten herzugeben, denn zu seinen Aufgaben gehört es auch, ihm gegenüber
unbequeme Wahrheiten auszusprechen, beispielsweise wenn ein Rechtsfall keine
Aussicht auf Erfolg hat. Das setzt eine bestimmte Distanz zwischen Anwalt und Mandanten
voraus. Je mehr sie verloren geht, weil der Anwalt zum Beispiel mit der Sache
des Mandanten zu sehr sympathisiert, desto mehr verliert er den unabhängigen
Blick auf die juristische Materie. Diese sind zwar Binsenweisheiten, die aber
nicht umwahr werden, indem man sie sich einmal mehr vor Augen führt.
Das
heißt natürlich nicht, dass ein Advokat die Überzeugungen des Mandanten
ablehnen oder sich außerhalb seines Berufes als politisches Neutrum verhalten
sollte. Wie es in einer Leserzuschrift im Anwaltsblatt 1/2017, S. 8 im Hinblick
auf gesellschaftliche Entwicklungen heißt, kann „Schweigen oder neutral bleiben
... für unsere Berufsgruppe keine Option sein.“ Es ist viel mehr sinnvoll, wenn
der Anwalt in angemessenem Maße mit dem Begehren des Mandanten konform geht,
will er nicht zum rechtstechnokratischen Zyniker werden; aber eben nur in dem
Maße, dass er die Sympathie der Sachlichkeit nicht unterordnet.
Seine
Unabhängigkeit als Organ der Rechtspflege verliert der Anwalt indessen nicht
nur durch eigenes Ungeschick, sie kann auch systematisch von berufener und
insbesondere unberufener Seite untergraben werden. Das geschieht, wenn
bestimmte Kreise, beispielsweise jene Teile der Presse, die sich den Namen
Lügenpresse immer wieder eifrig erarbeiten, die Trennung zwischen dem Organ der
Rechtspflege und der Person, die dieses Amt ausübt, systematisch ignorieren und über beide ein propagandistisches Gemisch aus Halbwahrheiten und Diffamierungen ergießen, die alles andere
überdecken soll. So heißt es dann z. B.: „Der verteidigte schon Nazis“. Als
nächstes folgt der Begriff „Nazianwalt“ oder besser gleich der „Nazi“. Nichts
kommt dem gleich. Einen Kinderschänder darf man natürlich verteidigen, einen
Grünen auch und einen grünen
Kinderschänder sowieso, aber einen AfD- oder sogar NPD-Mann? Das Recht auf anwaltlichen
Beistand als solches behauptet der Hetzprofi selbstverständlich nicht
anzutasten, im Grundsatz zumindest nicht. Jeder hat in unserem freien
Rechtsstaat das Recht, sich angemessen verteidigen zu lassen, nur darf dabei
der demokratische Konsens nicht gefährdet werden. Also hat der NPD-Mann sich
gefälligst aus dem Ghetto der Szeneanwälte zu bedienen, und der Szeneanwalt
seine Dienste gefälligst nur dem NPD-Mann anzubieten. Demokraten kauft nicht
bei... Und wenn die Wahrheit nicht so ist, wie der Journalist sie gerne hätte,
wird sie eben zurechtgebogen. Seine
perfide Logik zielt in zwei Richtungen: Zum einen auf den Anwalt, der aus Angst
um seinen Ruf bestimmte Mandate nicht annimmt und zum anderen auf bestimmte
Rechtssuchende, die sich aus Angst, sich mit dem „falschen“ - zwar sachkundigen
aber politisch kontaminierten - Anwalt selbst zu schaden, auf seine eigentliche
Wahl verzichtet. Somit untergräbt die Polemik sehr direkt und
zielgerichtet das in Art. 19 IV GG verortete Rechtsschutzprinzip, zu deren
unverzichtbaren Bestandteilen auch die freie Advokatur gehört und zwar für
beide Teile. Damit untergräbt die Lügenpresse den Rechtsstaat selbst.