Am Ort der Hexenbrenner
Sigrid Schüßler legt Verfassungsbeschwerde gegen Bamberger Urteilssprüche ein
Wo sich die Arroganz der
Macht mit der Selbstgerechtigkeit der Richter paart, weiß der Kundige, er ist
in Bayern. Wenn er dann noch in Bamberg ist, gnade ihm/ihr Gott. Solches musste im Jahr 2017 die politische Aktivistin Sigrid
Schüßler, die sich selbst "die zauberhafte Märchenhexe" (Schüßler betrieb bis vor einigen Jahren ein Kindertheater) nennt, erleben, als
sie in Bamberg wegen Volksverhetzung, § 130 StGB, vor Gericht stand. Dort hatte
sie im Januar 2016 unter dem Einfluss der Sylvesterereignisse von Köln und
anderen deutschen Städten eine Rede gegen die verfehlte Asylpolitik der Bundesrepublik
Deutschland gehalten. Vor Gericht musste sie dann im August und Oktober
2017 den Eindruck gewinnen, dass der inquisitorische Geist aus der Zeit der
Hexenverbrennungen in Bamberg noch durch manche Köpfe zu wehen scheint. Angefangen von
schikanösen Eingangskontrollen im Gerichtssaal, fortgesetzt durch die Ablehnung
sämtlicher Anträge der Verteidigung, sich schließlich verdichtend in den Giftblicken von Schöffen und Staatsanwalt gab sich das Landgericht wenig Mühe, den
Verdacht zu verhindern, dass nicht die Aufklärung eines Sachverhaltes im
Zentrum des Prozesses stehen könnte, sondern die Erzielung eines Ergebnisses. Eine feindseligere Atmosphäre in politischen Strafverfahren als im schaurigen Bamberg dürfte es kaum geben.
Die Passagen, die
Justiz, aus dem Zusammenhang eines Textes von drei Seiten herausgegriffen, als
strafwürdig beanstandete, lauteten:
"Das [also Köln
u.a., d.V.] war geplant, das waren Absprachen. Junge gefährliche gesunde
arbeitsfähige, kräftige Testosteronbomben aus aller Herren Länder, die ihrer
Heimat fliehen und sich hier ins gemachte Nest setzen wollen, haben sich
verabredet, um das zu tun, weswegen sie hier sind: um deutsche Frauen zu
überfallen, zu erniedrigen, zu vergewaltigen, um uns zu überrennen und hier
einen neuen Staat zu errichten, der aber kein deutsches Gesicht mehr haben
wird, sondern ein Gesicht aus aller Herren Länder, und zwar aus aller Herren
muslimischer Länder."
Man muss nicht so sprechen. Aber darf man nicht so sprechen? Das Landgericht sah in den Formulierungen jedenfalls, wie ähnlich schon die Vorinstanz, eine falsche Tatsachenbehauptung, für die die
Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG nicht gelte. Auch das OLG folgte dem. Richtiger wird man sagen müssen,
diese überspitzen und provokativen Formulierungen beschreiben eine reale Gefahr
der Flüchtlingspolitik und kein reales Verhalten eines jeden einzelnen
Flüchtlings. Daher ist es, wie es übrigens aus dem von den Gerichten
ignorierten weiteren Textabschnitten hervorging, in erster Linie ein Werturteil
über die Flüchtlingspolitik und muss den Schutz der Meinungsfreiheit genießen.
Denn, wie wir alle wissen, kommt es nicht auf Wortklauberei an. Nicht, was
jemand sagt, ist entscheidend, sondern, was er damit sagt. Das wird nun das
Bundesverfassungsgericht klären müssen. (LG Bamberg 1 Ns 1108 Js6649/16 und 2 OLG 130 Ss 15/18)