GEH NICHT ZUR NUTTE!
vom Übel der Beiordnungsprostitution
Die
Zeiten verschärfen sich. Was wir jeden Tag im allgemeinen gesellschaftlichen
Klima spüren, schlägt sich auch bei Gericht nieder, und zwar vor allem im
Strafprozess. Dort herrscht ein rauer Wind. Der Angeklagte ist schuldig, sonst
wäre er nicht angeklagt, die Polizei hat immer recht, das Ordnungsamt auch, und
das Gericht ist ohnehin unfehlbar. Der Menschenschlag, dem wir auf den hohen Richterbänken
begegnen, ist immer häufiger von Ignoranz und Selbstgefälligkeit geprägt.
In
dieser Atmosphäre lassen sich die Rechte des Beschuldigten nur durch eine
sachgerechte Verteidigung wahren. Das beginnt jedoch außerhalb des
Gerichtssaales. Dabei werden immer wieder einige Grundprinzipien verletzt. Als Beschuldigter
einer Straftat macht man nie eine Aussage vor der Polizei. Das Schweigen
im Ermittlungsverfahren ist alternativlos. Im Prozess selbst kann sich nur
verteidigen, wer umfassende Aktenkenntnis besitzt, und die wird nur einem Verteidiger
gewährt. Wenn er rechtzeitig eingeschaltet wird, kann er möglicherweise eine Hauptverhandlung
verhindern. Wenn es dennoch zum Prozess kommt, sollte der Beschuldigte ihn auf keinen Fall ohne
anwaltlichen Beistand angehen, auch wenn er sich für noch so fähig befindet, sich alleine zu verteidigen. Das ist ein unverzeihlicher Irrtum. Die emotionale Belastung in einem solchen Verfahren
führt dazu, dass man sich selbst schadet.
Es
kann jedoch etwas noch Schlimmeres passieren: Der Beschuldigte gerät an einen Pflichtverteidiger,
der vom Gericht beigeordnet wird, ohne den Mandanten zu kennen. Diese Leute
machen in der Folge für den das Geschäft, in dessen Sold sie stehen. Das heißt,
sie setzen dem Gericht keinen Widerstand entgegen, sondern tragen ihren Teil zu
einem „reibungslosen“ Ablauf, das heißt zu einer problemlosen Verurteilung, bei.
Daher geben sie den Mandanten oft falsche Ratschläge - so raten sie etwa verfehlterweise zu einer Aussage - und denken gar nicht
daran, das Instrumentarium der Strafprozessordnung auszunutzen. Sie schweigen,
wo sie als Verteidiger intervenieren sollten. Dabei vernachlässigen sie bedenkenlos
deren Interessen. Vornehme Zungen bezeichnen sie als Geständnisbegleiter. In der Fachliteratur findet man allerdings das treffendere Wort von der Beiordnungsprostitution. So schreibt Olaf Klemke in der Einführung in die Praxis der Strafverteidigung, 3. Aufl., 2013, Rn. 117:
"In der Praxis ist es allzu oft so, dass das Gericht die `üblichen Verdächtigen´ bestellt, nämlich Anwälte, mit denen das Gericht in der Vergangenheit `gut zusammenarbeiten´ konnte. Dies sind oft Verteidiger, die um weiterer amtswegiger Beiordnungen willen notwendige Verteidigungsaktivitäten nicht entfalten (Phänomen der sog. `Beiordnungsprostitution´)."
Um
zu verhindern, dass ein Beschuldigter in die Fänge solcher Zeitgenossen gerät, muss er vom ersten Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden an den Verteidiger seines Vertrauens benennen. Besonders gefährlich wird es, wenn jemand in
die unangenehme Lage der Untersuchungshaft gerät. Auch und gerade
dann hat er/sie aber aus der Strafprozessordnung den Anspruch, einen Anwalt selbst zu
bestimmen, den ihm das Gericht beiordnen muss. Nie darf man auf die
Ratschläge, die Untersuchungsrichter oder gar Staatsanwälte oder
Polizeibeamte erteilen, hören, und wenn ein Anwalt, den der Beschuldigte überhaupt nicht kennt, plötzlich wie von Zauberhand
gerufen, in der Zelle steht, gibt es nur eins: wegschicken und zwar sofort! Der Deutsche Anwaltverein wirbt seit Jahren mit
dem Slogan „Anwalt ist Vertrauenssache“, und genauso ist es.