Befangenheitsantrag im Mordprozess Lübcke
Angeklagter sieht Fürsorgepflicht verletzt
Im Mordprozess Lübcke vor
dem OLG Frankfurt hat der Nebenbeschuldigte Markus H am 5. August einen
Befangenheitsantrag gegen den Senatsvorsitzenden, Richter am OLG Thomas
Sagebiel, gestellt. Grund ist die Reaktion bzw. Nichtreaktion des Richters auf
die Veröffentlichung eines Videos der polizeilichen Vernehmungen des
Hauptangeklagten. In der letzten Woche waren die Mitschnitte auf dem Format
Strg-F, das dem NDR angeschlossen ist, erschienen. Der Beitrag wurde
mittlerweile über 600.000 mal abgerufen. Bei den Aufnahmen handelt es sich um
interne Ermittlungsergebnisse, die nicht für die Öffentlichkeit zugelassen
sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die kompletten Videos in der
Hauptverhandlung bereits abgespielt wurden. Denn spätere Zeugen können nun ihr
Aussageverhalten auf die Aussage des Hauptanageklagten abstimmen. Damit genau
so etwas nicht geschieht, sieht die Strafprozessordnung unter anderem vor, dass
Zeugen nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen dürfen, wenn sie selbst noch
nicht ausgesagt haben. Diese Regelung wird durch die Vorab-Veröffentlichung des
Filmmaterials unterlaufen. Außerdem beinhaltet sie weitere Rechtsverstöße zum
Beispiel gegen das Urheberrecht des Landes Hessen, bzw. der Bundesrepublik
Deutschland. Der Prozess wird somit gefährdet, zumal Nachahmungstaten drohen.
Entsprechend negativ wird der Vorgang in der Fachpresse kommentiert
Daher legte die Verteidigung
dem Senatsvorsitzenden brieflich nahe, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um
diesem Treiben Einhalt zu gebieten und die Entfernung der Videos zu erreichen.
Er könnte zwar nur Anstöße für andere Behörden geben, aber sie würden
sicherlich größeres Gewicht entfalten, als wenn von nicht offizieller Seite
Schritte eingeleitet würden. Der Richter reagierte jedoch ablehnend und
erweckte den Eindruck, als interessiere ihn der Vorgang nicht. Der Angeklagte H
sieht deshalb die Fürsorgepflicht des Richters, auf die dieser sonst so großen
Wert legt (Seine Worte am ersten Verhandlungstag „Hören Sie nicht auf Ihre
Verteidiger, hören Sie auf mich“) als verletzt an.
5-2 StE 1/20-5a 3/20