Samstag, 22. Februar 2020

VG Karlsruhe und VGH Mannheim: Pforzheimer Mahnwache kann stattfinden.

Darlegungen zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit fehlen vollständig

Stadt scheitert auch mit Beschwerde


Bereits zum dritten Mal musste sich das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit dem immer gleichen Sachverhalt befassen: Wie in jedem Jahr seit 1995 (!) führt der Freundeskreis "Ein Herz für Deutschland" am 23. Februar auf einem Berg oberhalb von Pforzheim eine Mahnwache durch, um an den englischen Luftangriff auf die Schwarzwaldstadt im Jahre 1945 zu erinnern. Dabei kamen 20.000 Zivilisten ums Leben. An kriegswichtiger Industrie wurde nichts getroffen, dafür Handwerksbetriebe zur Fertigung von Kuckucksuhren. Den Stadtoberen ist dabei ein Dorn im Auge, dass die Teilnehmer Fackeln mit sich führen, die weithin sichtbar sind. Außerdem wollen sie verhindern, dass eine andere Geschichtsdeutung als die offiziell zugelassene erhoben wird, nämlich eine solche, die in diesem luftgestützten Massenmord ein Kriegsverbrechen sieht. Deshalb unternehmen sie immer wieder Anläufe, um die Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 GG zu beschneiden, und jedesmal scheiterte die Stadt in zwei Instanzen vor den Gerichten. Begnügte man sich jedoch 2005 und 2012 noch mit Auflagen, die sich (nur) gegen die Fackeln richteten, fuhr der Oberbürgermeister nunmehr das ganz große Geschütz auf: ein Versammlungsverbot.

Als Grund musste unter anderem der Mordanschlag von Hanau herhalten, der Trittbrettfahrer animiere. Diese Logik erschloss sich dem Gericht nicht. Zur angeblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit  formulierte es in dem Beschluss vom heutigen Samstag:

"An entsprechenden behördlichen Darlegungen fehlt es vorliegend praktisch vollständig. Die Begründung des angefochtenen Bescheids, wonach nicht ausgeschlossen werden könne, dass gewaltsame Trittbrettfahrer sich der Versammlung bedienten, um weitere schwere Taten zu verüben ... stellt sich als eine bloße Vermutung dar".  

Ferner wies das Gericht darauf hin

"dass in der öffentlichen Auseinandersetzung immer wieder auch die Frage gestellt wird, ob die flächendeckende Bombardierung durch die Alliierten kurz vor ende des Krieges, die militärisch keine Bedeutung mehr besaß, noch gerechtfertigt war."  

Eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sah das Gericht gleichfalls nicht. 

Die Stadt legte gegen den Beschluss Beschwerde ein. Noch am Nachmittag des Karnevals-Samstags wies sie der VGH Mannheim zurück. Er äußerte sich dezidiert zu ihrer rechtlichen Qualität:

"Eine Verantwortlichkeit der angemeldeten Versammlung als Störer, von dem Gefahren ausgehen, ..., behauptet die Beschwerde auch nicht ansatzweise." 

VG Karlsruhe 2 K 1046/20
VGH Mannheim 1 S 560/20