Donnerstag, 25. August 2022

URTEIL IM REVISIONSVERFAHREN LÜBCKE

Der Bundesgerichtshof hat heute  (25.08.2022) das Urteil des OLG Frankfurt in dem Mordprozess Lübcke in allen Punkten bestätigt. Damit ist insbesondere der Mitangeklagte H. vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord rechtskräftig freigesprochen. Die von der Verteidigung von Anfang an vertretene Auffassung, dass die Sachlage nichts für eine Beteiligung des Nebenangeklagten hergab, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der frahwürdigen Konstruktion der psychischen Beihilfe, hat sich daher als in jeder Hinsicht zutreffend erwiesen. Erst recht gab es keinen Hinweis auf eine noch  weitergehendere Mitwirkung des Nebenangeklagten wie es sich einige Beteiligte als offensichtliche Wunschvorstellung in den Kopf gesetzt hatten. Die ebenfalls bestandskräftige geringfügige Verurteilung von H wegen eines Waffendelikts hält die Verteidigung für falsch, aber angesichts des Freispruchs in dem allein interessierenden Mordvoreutf für verschmerzbar. Der Angeklagte H kann nun mit der Sache abschließen. 

BGH 3 StR 359/21

Donnerstag, 6. Januar 2022


Volkslehrer: Nichtabhilfebeschluss aus Karlsruhe 

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde, die der Volkslehrer gegen seine Verurteilung wegen Volksverhetzung eingelegt hatte, nicht zur Entscheidung angenommen und den diesbezüglichen Beschluss auch nicht begründet. Das ist formalgesetzlich korrekt, bedeutet aber faktisch eine Rechtsverweigerung. Denn für den Beschwerdeführer bleibt damit unklar, welche Gründe für Karlsruhe maßgeblich waren. Das ist um so unbefriedigender, als die Instanzgerichte die inkriminierte Äußerung des Volkslehrers in Details rechtlich unterschiedlich verortet hatten. Strafrechtlicher Stein des Anstoßes war seine sinngemäße Äußerung gegenüber Schülern in einer KZ-Gedenkstätte, sie sollten nicht alles glauben, was sie dort hörten. Nachfolgend wird der vollständige Inhalt der Verfassungsbeschwerde vom August 2021 wiedergegeben.    


In dem Strafverfahren

AG Dachau   2 Cs 12 Js 12386/19

LG München II 6 Ns 12 Js 12386/19

Bayerisches Oberstes Landesgericht 207 StRR 241/21

 

 gegen Nikolai Nerling wegen Verurteilung gemäß § 130 Absatz 3 Alt. 2 und 3 StGB

 lege ich Namens und mit Vollmacht des Nikolai Nerling

 

    Verfassungsbeschwerde


gegen den Beschluss des BayOLG vom 25.04.2018, zugegangen am 09.07.2021

und

gegen das dadurch rechtskräftig gewordene Urteil des Landgerichts München II 6 Ns 12 Js 12386/19 vom 14.01.2021,

 

sowie gegen das Urteil des Amtsgerichts Dachau 6 Cs 12 Js  12386/19 vom 09.12.2019 ein.

 

Die Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer (nachfolgend Bf.) in seinen Grundrechten, seine Meinung frei zu äußern, aus Art. 5 Absatz 1 Satz 1 Hs. 1 GG, sowie aus Art. 3 Absatz 3, 9. Alt. GG.

 

Ich beantrage, den angefochtenen Beschluss und die angefochtenen Urteile aufzuheben.

  

Begründung:

 

Die Bf. ist geschieden und arbeitet als freier Journalist und Vlogger. Dabei führt er den Künstlernamen „Der Volkslehrer“. Er lebt von Spenden.

 

Nach seinem Studium arbeitete der Bf. von 2006 bis 2009 zunächst als Lehramtsreferendar, sodann bis 2018 als Realschullehrer an der Vineta-Grundschule in Berlin-Gesundbrunnen.

 Am 04.12.2019 hielt er sich mit dem gesondert Verfolgten S.Z. auf dem Gelände der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau auf, um dort einen zur Veröffentlichung im Internet gedachten Videofilm zu drehen, in dem sich der Bf. gegen die von ihm als Schuldkult bezeichnete Erinnerungskultur zu den Verbrechen des Nationalsozialismus äußern wollte. Der Bf. trat als Sprecher auf, der Mitangeklagte führte die Kamera. Während dieser Zeit hielt sich auch eine Gruppe von 12 bis 15 Schülern des Gymnasiums Kirchseeon auf dem Gelände auf, die zusammen mit der Referentin des Max-Mannheimer-Instituts, der Zeugin Gruberova, die Gedenkstätte besuchten. Die Zeugin erkannte den Bf., aber sie kam nicht auf seinen Namen, so dass sie die Schüler bat, ihn im Internet zu recherchieren. Dem kamen die Schüler nach und fanden heraus, dass der Bf. der Volkslehrer sei. Um das bestätigt zu bekommen, fragte sie ihn, ob er der Volkslehrer sei, was der Bf. zutreffend bejahte. Sie sagte daraufhin, er sei rechtsradikal, worauf hin er antwortete, das stimme, und rechts käme von richtig. Sodann kam es zu den inkriminierten Äußerungen, welche das Amtsgericht wie folgt feststellte:   

 

„Mit den nachfolgenden Äußerungen gegenüber der Schülergruppe leugnete und verharmloste der Angeklagte Nerling zur Beeinflussung der Schüler bewusst und gewollt Ausmaß und Folgen der nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen zum Nachteil der europäischen Juden in der Zeit von 1933 bis 1945 bestehenden Konzentrationslager in Dachau, indem er ausführte, dass „alles Quatsch/eine Lüge sei, sie nicht alles/das meiste glauben sollten, was ihnen hier in der Gedenkstätte gesagt werde und dass sie hier manipuliert würden.“ (S. 4 und 5 des Urteils)

 

Demgegenüber traf das Landgericht München II folgende Feststellungen:

 

„Im Rahmen dieser Diskussion äußerte der Angeklagte Nerling sinngemäß, die Schüler sollten nicht alles glauben, was hier erzählt würde.“ (S. 8 des Urteils)

 

Feststellungen zu dem, was den Besuchern in der Gedenkstätte gesagt bzw. gezeigt wurde, zu Schautafeln, Filmen, sonstigen Informationen, die die Besucher dort erhalten können traf das Amtsgericht überhaupt nicht, und das Landgericht nur rudimentär. Es fasste dazu in seiner Beweiswürdigung den Inhalt der Aussagen der Zeugin Gruberova zusammen (S. 10):

 

„Das Seminar hätte die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau und auch allgemein die Geschichte des Holocaust zum Gegenstand. Die Geschichte der jüdischen Häftlinge im Konzentrationslager Dachau werde dabei von Anfang an thematisiert. Ein Viertel der Häftlinge seien Juden gewesen, allein nach der Pogromnacht 1938 seien     11.000 Juden im Konzentrationslager Dachau Inhaftiert worden. Insgesamt seien in Dachau ca. 206.000 Personen inhaftiert gewesen, von denen über 41.000 gestorben seien. Jeder Dritte Umgekommene sei Jude gewesen, ln den zu Dachau gehörenden Außenlagem habe es fast nur jüdische Häftlinge gegeben. Dort habe die Todesrate 80 % betragen. Der Holocaust habe nicht nur in den Gaskammern stattgefunden, sondern auch durch die in den Lagern vollzogene "Vernichtung durch Arbeit."

 

Es sei allgemein bekannt, dass es in Dachau eine Gaskammer gab. Die Dokumente zu ihrer Verwendung seien vernichtet worden, es gebe jedoch eine Aussage eines Häftlings, dass er Leichen aus der Gaskammer obduziert habe“.

 

Das Amtsgericht davon aus, dass die inkriminierte Äußerung  des Bf. nicht unter den Schutzbereich des Art. 5 GG falle. Es prüfte das allerdings nur anhand der Frage, ob mit ihr der öffentliche Friede gestört sei. Eine eigenständige Auseinandersetzung mit der Dogmatik des Art. 5 GG findet nicht statt.

 

Demgegenüber prüft das Landgericht diese Frage. Es geht dabei zutreffend von dem durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 93, 293, 300ff) festgelegten Auslegungsmaßstab aus:

 

„Bei der Bewertung der Äußerung berücksichtigte die Kammer, dass im Hinblick auf die wertsetzende Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit eine den objektiven Sinngehalt der Äußerung erfassende Deutung unerlässlich ist und eine zur Verurteilung führende Deutung nicht zugrunde gelegt werden darf, ehe andere Deutungsmöglichkeiten ausgeschlossen wurden. Kriterien für die Auslegung sind der Wortlaut, der sprachliche Kontext der Äußerung sowie die Begleitumstände der Äußerung. Nach diesen Maßstäben lässt sich die  Äußerung des Angeklagten Nerling nur im o.g. Sinn verstehen.

 

Schon nach dem Wortlaut der Äußerung man soll/muss nicht alles glauben, was (hier) erzählt wird, drückt diese aus, dass das, was erzählt wird – jedenfalls teilweise – unrichtig ist.

 

Nach dem Kontext der Äußerung – auf dem Gelände der Gedenkstätte des Konzentrationslagers, vor einer Schülergruppe – kann es sich bei dem, was „erzählt“ wird, nur um den Inhalt der Führung durch die Gedenkstätte handeln. Nach der Vorstellung eines unvoreingenommenen Publikums beinhaltet eine solche Führung die Geschichte des Konzentrationslagers Dachau, und dass dort auch Juden inhaftiert waren. Des weiteren gehört dazu die Geschichte des Nationalsozialismus, und in diesem Rahmen auch der Holocaust.

 

Zum Kontext gehört zudem, dass der Angeklagte ein öffentlich bekannter, sich selbst so bezeichnender, Rechtsradikaler ist. Zum Zeitpunkt seiner Äußerung war dies auch den Schülern, aufgrund des Wortwechsels mit der Zeugin Gruberova ... bekannt.

 

Zum Kontext der Äußerung gehört weiter, dass sie auf dem Gelände eines früheren Konzentrationslagers erfolgte.

 

Schließlich gehört zum Kontext, dass der Angeklagte die Zeugin G kurz nach der fraglichen Äußerung fragte, ob sie Jüdin sei.

 

Damit engt sich das Verständnis der fraglichen Äußerung darauf ein, dass hier unrichtige Dinge über den Völkermord an den europäischen Juden erzählt würden. Es ist nicht ersichtlich, welche anderen Tatsache dessen, was „hier erzählt“ werde, der Angeklagte sonst als unrichtig bezeichnen wollte, als die Tatsache des Holocausts. Auch die hierzu befragten Zeugen haben die Äußerung in diesem Sinne verstanden. Der Angeklagte beschränkte sich ... gerade nicht darauf, die Schüler zum kritischen Hinterfragen anzuregen, sondern er bekundete, dass nicht alles stimme, was hier erzählt werde. Er regte sie also nicht an, das Gehörte zu prüfen, sondern gab bereits vor, dass es unrichtig sei. Eine den Holocaust leugnende Aussage ist als erwiesen unwahre Behauptung nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt.“   

 

 

Das Landgericht kommt also in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass der Bf. den Holocaust gemäß § 130 Absatz 3, 2. Alt StGB leugnete.

 

Das BayOLG greift diese Maßstäbe auf, wobei es als reine Rechtsinstanz tatbestandlich zugrunde legt, das der Bf. (nur) sinngemäß gesagt habe, die Schüler sollten nicht alles glauben, was ihnen in der Gedenkstätte erzählt würde.

 

Es bezieht die Eigenschaft des Bf. als „Volkslehrer“ ebenso in seine Würdigung ein, wie den örtlichen Kontext der Äußerung auf dem Gelände der Gedenkstätte. Ferner bezieht es die vermeintlichen Kommentare des Bf. auf, die er während der Filmarbeiten gemacht haben soll. Hierzu schreibt es:

 

„Auch wenn die Strafkammer keine Feststellungen zu dem Inhalt der Kommentare des Angeklagten Nerling treffen konnte, drängt sich dieser Teil der Urteilsschilderungen dem Revisionsgericht als weitere Provokation des Angeklagten vor einem eigenen rechtsextremistischen Hintergrund auf.“ (S. 21)

 

 

Schließlich kommt es zu dem Ergebnis, dass es dem Bf. darum ging, den Genozid an den europäischen Juden zu bagatellisieren.

 

Es kommt dennoch zu einer anderen Rechtswürdigung, indem es urteilt, der Bf. habe mit seiner Äußerung den Holocaust gemäß § 130 Absatz 3, 3. Alt. verharmlost.

 

Diese Auslegungen halten einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Denn die richtige dogmatische Grundlage (s.o.) wird bei der Auslegung der Äußerung nicht beachtet.   

 

 

Der Revisionsbeschluss leidet zunächst darunter, dass er das zur Verurteilung führende Gesetz austauscht, aber die verfassungsrechtliche Bewertung des Landgerichts beibehält. Das ist schon deshalb nicht tragfähig, da zwischen Leugnen und Verharmlosen nicht nur ein Unterschied hinsichtlich des Unrechtsgehaltes besteht, sondern weil Leugnen bedeutet, die historischen Tatsachen in Abrede zu stellen, während Verharmlosen darin besteht, sie zwar als Tatschen anzuerkennen, aber in ihrer Schwere anders zu beurteilen als vom Gesetzgeber definiert wird. Ob etwas schlimmer, gleich schlimm oder weniger schlimm ist als andere Vorgänge, ist ein Werturteil.  

 

Beide Entscheidungen verstoßen darüber hinaus gegen zwei weitere Auslegungsgrundsätze, deren richtige Anwendung aber zu dem Ergebnis geführt hätte, dass der Äußerung des Bf. sehr wohl die Mehrdeutigkeit zukommt, die zu einem Freispruch führen musste.

 

Erstens bleibt offen, worauf sich die Äußerung des Bf. überhaupt bezieht. Hier hätten sich mehrere Fragen aufgedrängt. Denn in der Gedenkstätte werden den Besuchern historische Inhalte vermittelt. Also kann der Bf. diese Vermittlung als das gemeint und kritisiert haben, was nicht zur Gänze zu glauben sei. Oder aber er kann die historischen Tatsachen selber gemeint haben. Das OVG Münster hat im Beschluss 21 B 1549/99 vom 16.11.1999 ausdrücklich eine solche Differenzierung zwischen dem historischen Geschehen und seiner Aufarbeitung in der Gegenwart getroffen (S. 3 Mitte).

 

 

Wenn er die Vermittlung, also die Präsentation durch die Gedenkstätte und/oder durch die Referentin gemeint haben sollte, dann wäre zu prüfen gewesen, wie angemessen oder unangemessen eine solche Kritik war. Dazu aber gibt es keine Feststellungen, weil die Gerichte darauf gerichtete Tatsachen nicht bzw. nur ansatzweise erhoben haben.

 

Zwar wird in der Beweiswürdigung des landgerichtlichen Urteils (S. 10) mitgeteilt, was Gegenstand des  Seminars der Schülergruppe, an welche der Bf. seine Äußerung richtete, war: nämlich die Geschichte des Holocausts im Allgemeinen und die diejenige des KZ Dachau im Speziellen. Aber genau das führt dazu, dass der Angeklagte sowohl das eine als auch das andere mit seinen Worten gemeint haben könnte. Ferner könnte er sie anstelle der historischen Vorgänge an sich auf die Präsentation bezogen haben, die die Besucher in der Gedenkstätte bzw. in dem Seminar erhalten. Die Möglichkeiten sind variabel. Die angefochtene Urteile haben es unterlassen hierzu Feststellungen zu treffen. Außerdem sind diese Angaben zu wenig aussagekräftig, als dass sich daraus ableiten ließe, was den Schülern tatsächlich dargeboten wurde. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass sie durch das Seminar auch verzerrte oder falsche Informationen bekamen. Es ist nicht feststellbar.

 

Weil somit offen geblieben ist, worauf der Bf abstellte – ob auf historische Tatsachen oder auf die Informationen in der Gedenkstätte und im Seminar - muss auch offen bleiben, was er aussagen wollte, und wenn das offen ist, kann nicht festgestellt werden, ob seine Aussage nur so ausgelegt werden kann, das sie strafbar ist. Das gilt um so mehr, als das Landgericht als maßgebliche letzte Tatsacheninstanz die Aussage des Bf. nur sinngemäß ermitteln konnte. Damit bleibt also unter Anwendung des Zweifelsgrundsatzes mindestens eine Auslegung seiner Worte übrig, die nicht zur Strafbarkeit führt.  

 

Zwar scheint das Landgericht die o.g. Differenzierung zu kennen, wenn es feststellt (S. 18),

 

„... nach dem Kontext der Äußerung kann es sich bei dem, was erzählt wird, nur um den Inhalt der Führung durch die Gedenkstätte handeln.“

 

Aber dieser Inhalt wird nicht präzise mitgeteilt. Vielmehr gehen die Gerichte ohne weiteres davon aus, dass dieser Inhalt (also der Darbietung) der historischen Wahrheit entspricht. Das muss nicht zwingend so sein. Denn anerkanntermaßen war Dachau kein Vernichtungslager wie Auschwitz oder Treblinka. Es wurden Menschen ermordet, aber nicht in der industriellen Form wie in den genannten. Die Gerichte haben keinen Beweis darüber erhoben, ob die Führung insoweit richtige Fakten vermittelte, denn sie haben, um es zu wiederholen, darüber nur zusammenfassen, nicht im Detail, erhoben, was überhaupt vermittelt wird. Das kann richtig, überwiegend richtig, teilweise richtig aber auch (teilweise) falsch gewesen sein.  

Zweitens ist es verfassungsrechtlich unzulässig, den politischen Hintergrund des Bf. in die Auslegung der Äußerung einzubeziehen. Das hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise in seinem Beschluss 1 BvQ 43/19 vom 15.09.2019 entschieden, wo es unmissverständlich klarstellte, dass die Äußerung auf einem Plakat einer politischen Partei aus sich selbst heraus zu interpretieren sei, und nicht aus deren Parteiprogramm (in dem Falle der NPD). Gegenteiliges verstößt auch gegen Art. 3 Absatz 3, 9. Alt. GG, wonach niemand aufgrund seiner politischen Anschauungen benachteiligt werden darf. Darauf laufen die angefochtenen Entscheidungen jedoch hinaus. Denn wenn die Äußerung des Bf. deshalb in einer bestimmten Wiese zu interpretieren (und somit vom Anwendungsbereich des Art. 5 GG auszunehmen) sei, weil er rechts sei, heißt das nichts anderes, als dass er die selbe Äußerung hätte tun dürfen, wenn er aus dem linken Spektrum käme. Das kann nicht rechtens sein.  

 

Daher sind die angegriffenen Entscheidungen aufzuheben.

 

 

 

 

Dr. Björn Clemens, RA

Sonntag, 31. Oktober 2021

 

Zehn Thesen zum Antichristen

Jede Rechtsordnung besteht in einem gesellschaftlichen Kontext. Das heißt, was Gesetz wird und was nicht, hängt wesentlich davon ab, ob wichtige gesellschaftliche Gruppen darauf Einfluss nehmen oder eben nicht - und sich still ergeben. Deshalb soll an dieser Stelle die Rolle der Kirche beleuchtet werden: 

Wer in den Zeiten der inszenierten Pandemie nach Gott sucht, nach einem Refugium vor den Nachstellungen und Übergriffen des Staates auf die Bürger, wird in der Pfaffenkirche nicht fündig, im Gegenteil: Dort huldigt man dem Antichristen.

 

 

 

  1. Wer die medizinisch Unkorrekten aus dem Gottesdienst und somit aus der Mitte der Gemeinde verstößt, spuckt Jesus Christus ins Gesicht. Wer Gottes Haus nur denjenigen öffnet, die ihren Gesundheitsstatus nachweisen, verschließt es ihnen. Denn Jesus wandte sich den Aussätzigen (Mt. 8, 3) zu, eingedenk dessen, dass sie aus der Gemeinde abgesondert (in Quarantäne gesteckt) waren. Denn in der Schrift heißt es, (3. Mose 13, 46): „Allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein.“ Jesus durchbricht die Quarantäne, ihm sind alle willkommen, ob krank, gesund oder geimpft, und deshalb dient dem Antichristen, wer sie vollstreckt.

 

  1. Wer einer Agenda der Furcht das Wort redet oder ihr nicht entgegentritt, verleugnet Jesus Christus. Denn er spricht, „in der Welt habt Ihr Angst, ich aber habe die Welt überwunden“ (Johannes 16,33);  er spricht, „ich habe Euch nicht den Geist der Frucht gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ ( 2. Tim., 1, 7). Wer Jesus dient, nimmt daher den Menschen die Angst vor Krankheit. Wer ihnen diese Angst einjagt, dient dem Antichristen.

 

  1. Wer die biologische Gesundheit des Menschen in den Mittelpunkt des Lebens stellt, verschreibt sich einer Agenda des Körpers, also des Fleisches. Diese Agenda leugnet die Agenda des Heilands, denn er spricht, Römer 5, 12ff. „So sind wird nun, liebe Brüdern und Schwestern nicht dem Fleisch schuldig, das wir nach dem Fleische leben. Denn wenn Ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet Ihr sterben müssen, wenn Ihr aber durch den Geist die Taten des Leibes tötet, so werdet Ihr leben.“ Folglich sind die Gesundheitsapostel Apostel des Antichristen.

 

  1. Wer sein Gesicht beim Kirchgang maskiert, verdeckt es vor Gott. Doch Gott wendet den Menschen sein Angesicht zu, damit sie ihm ihr Angesicht zuwenden. Wer im Gottesdienst ausruft „Gott lasse sein Angesicht leuchten über Dir und sei Dir gnädig“ (4. Mose, 6,25) und dabei das eigene Gesicht verhüllt, ist ein Heuchler und Scharlatan. Er dient dem Antichristen.

 

  1. Wer Gott den Gesang verweigert oder ihn verschleiert, verschließt die Ohren vor dem Gebot, ihm Lobgesang entgegenzubringen. Denn es heißt im Psalm (147): „Denn es ist gut, unserem Gott zu singen, es ist lieblich, es ziemt ich der Lobgesang“, und es heißt im Lied: „Nun lasst uns gehn und treten mit Singen und mit Beten“ (Paul Gerhard) oder  „Psalter und Harfe wacht auf, lasset den Lobgesang hören.“ (Joachim Neander). Wer nicht singt, bejubelt den Antichristen.

 

  1. Wer die Gottesdienste beschränkt oder sie gar digitalisiert, verbannt den Geist Gottes aus seiner Mitte. Denn es steht geschrieben (Mt. 18,20), „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter ihnen.“ Wer die Versammlung der Gemeinde behindert, sperrt damit Gott aus. Das ist Dienst am Antichristen.

 

  1. Wer staatliche Vorgaben für den Gottesdient akzeptiert oder sie in vorauseilendem Gehorsam selbst inszeniert, verstößt gegen das Gesetz Jesu Christi, wonach Du Dem Kaiser geben sollst, was des Kaisers und Gott, was Gottes ist (Mk. 12, 17). Wenn der Staat sich anmaßt, Auflagen für den Gottesdienst zu erlasen, dann sollst Du Gott mehr gehorchen als den Menschen (Apg. 5,29). Wer aber Gott den Gehorsam verweigert, gehorcht dem Antichristen

 

  1. Wer sein Heil darin sucht, der Welt zu gefallen und deshalb den Widerstand gegen die Herrschaft des Bösen meidet, der dient ihr. Damit dient er dem Fürsten der Welt.  Aber der Fürst dieser Welt wird im Gericht hinausgeworfen (Johannes 12,31) Wer also dem Fürsten dieser Welt dient, dient dem Antichristen.

 

  1. Wer der Gemeinde nicht beisteht, wer Gläubige aussperrt, und Hilfesuchenden keine Hilfe bietet, ist eine falsche PriesterIn. Von ihs heißt es: „Wehe den Hirten, die die Herde meiner Weide umkommen lassen. Darum so spricht der Herr, der Gott Israels, über die Hirten, die mein Volk weiden, Ihr habt meine Herde zerstreut und verstoßen und nicht nach ihr gesehen. Siehe ich will Euch heimsuchen um Eures Bösen Tuns willen.“  (Jeremia 23, 1 u. 2) Denn diese falschen Hirten stehen im Dienste des Antichristen.

 

  1. Wer all dies tut aus Angst vor der Abschaffung der Kirchensteuer oder dem Ablösegebot (Art. 140 GG., Art. 138 WRV), der handelt nicht um Gottes Willen sondern um seines eigenen Willen. Denn Du kannst nicht gleichzeitig Gott dienen und dem Mammon (Mt. 6, 24, Luk. 16,13)!      

 

 

Die Kirche, die solches treibt, ist somit Teil der Agenda. Sie dient nicht Gott und nicht den Menschen. Sie dient, wie schon zu Zeiten des Reformators dem Antichristen, ob bewusst oder unbewusst.

 

Reformationstag 2021

 

     

Montag, 25. Oktober 2021

 

 

„Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ vor dem Landgericht Dortmund

 Kreativer Prozessauftakt endet nach 13 Minuten


Am Landgericht Dortmund sollte am Morgen des 25. Oktober 2021 das Strafverfahren gegen zehn Angeklagte um eine Parole beginnen, die sie bei einer Kundgebung der Partei „Die Rechte“ im Jahr 2018 gerufen haben sollen. Laut Anklageschrift hätten die Teilnehmer „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ skandiert. Rechtlicher Tatvorwurf ist Volksverhetzung gemäß § 130 StGB. Doch ob dieser Spruch wirklich strafbar ist oder eher eine Geschmacklosigkeit, ist selbst für die Staatsanwaltschaft nicht so sicher. Deshalb hat sie ihrer Anklageschrift – mehr als unüblich – ein zehnseitiges Rechtsgutachten vorangestellt, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Inhalt des Spruches selbst wahrscheinlich straflos sei, er aber im Zusammenhang mit dem Gesamtgepräge der Kundgebung strafbar werde.

So ist es dann möglicherweise eher politischen Zwängen als dem Strafgesetzbuch geschuldet, dass am 25. Oktober mit großem medialen Begleitprogramm, einschließlich einer dpa-Meldung, die Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer begann. Tagungsort ist der Veranstaltungssaal des Freizeitzentrums West Dortmund, FZW. Laut dessen Eigendarstellung ist es ein „kreativer“ Veranstalter, der Parties und Konzerte für verschiedene jugendliche Subkulturen und musikalische Szenen anbietet. 

Das Ambiente ist auch eher dem Voyeurismus als der Rechtsfindung zugeneigt: eine düstere Halle ohne natürliches Licht oder Frischluft, dafür mit zugiger Klimaanlage. Die Angeklagten sitzen mit ihren siebzehn Verteidigern eng zusammengequetscht an drei Tischreihen mit schwarzen Decken, die wenig Platz für die Unterlagen bieten; um die Laptops an den Strom anzuschließen, muss ein Verlängerungskabel herbeigeschafft werden. Das Gericht thront auf der Bühne, auf der sonst verschwitzte Musiker die Teens zum Tanzen bringen. Wenn gerade nicht der Corona-Gott sein Szepter schwingt. Am ersten Tag mussten sie alle dort nicht lange sitzen, denn die Videos, die die fragliche Demo zeigen, waren bislang nicht in dem Aktenbestand der Verteidigung enthalten. Auf diesen Videos soll man am Lippenspiel der Angeklagten ablesen können, ob sie mit skandierten oder nicht. Sie sind somit das wesentliche Beweismittel. Dass gerade sie fehlten, nachdem das (Vor-) Verfahren schon seit drei Jahren läuft, ist bemerkenswert. Folgerichtig beanstandeten die Verteidiger dieses Defizit, woraufhin die Verhandlung ausgesetzt wurde. Lediglich die USB-Sticks mit den Dateien wurden noch ausgeteilt. Ende des ersten Aktes nach dreizehn Minuten. Der geneigte Leser möge selbst beurteilen, ob das Ganze kreativen oder subkulturellen Charakter hat. Am 8. November soll fortgesetzt werden.                    

LG DO 32 klS600 Js 466/18-19/19 

 

Freitag, 25. Juni 2021

Schleswig-Holstein: Verfassungsklage gegen Notausschuss

Die Landtagsabgeordnete Doris von SAYN-WITTGENSTEIN lässt sich nicht gefallen, dass wegen Corona o.ä. ein Notausschuss an die Stelle des gewählten Landtags treten soll und leitet ein Organstreitverfahren vor dem Landesverfassungsgericht ein. RA und Fachanwalt f. Verwaltungsrecht Dr. Björn Clemens vertritt sie und erläutert die Sach- und Rechtslage.




Donnerstag, 28. Januar 2021

 

Freispruch

Sieg des Rechtsstaates im Lübcke-Prozess

Im Mordfall Lübcke hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt den Mitangeklagten Markus H. am 28. Januar 2021 vom Vorwurf der Beihilfe zum Mord freigesprochen.

Der Vorsitzende wies zu Beginn darauf hin, dass Gegenstand eines Urteils nur die angeklagten Taten seien, es daher die Aufgabe des Senats weder gewesen sei, rechtsradikale Netzwerke aufzuklären, noch den Staat vor missliebigen politischen Elementen zu schützen.

Die Verteidigung sieht sich mit dem Urteil in ihrer von Anfang an vertretenen Einschätzung bestätigt. Sie ist erleichtert, dass sich das Gericht nicht von den mannigfaltigen Versuchen Dritter und der Stimmungmache der Medien hat beeinflussen lassen, die auf Biegen und Brechen eine Verurteilung von H. herbeireden bzw. schreiben wollten. Somit ist das heutige Urteil auch ein Sieg des Rechtstaates über all diejenigen, die sich ein politisches Verfahren gewünscht hätten.

 

5-2 StE 1/20- 5a-3/20

Dienstag, 26. Januar 2021

Lübcke-Prozess: Schlussvortrag der Verteidigung des Angeklagten H:

 


In dem Strafverfahren OLG Frankfurt/M.  – 2 StE 1/20 -5a-3/20, Mordfall Dr. Walther Lübcke hat die Verteidigung des Angeklagten H am 26.01.2021 ihre Schlussvorträge gehalten. Nachfolgend Auszüge des Mansuskriptes von Dr. Björn Clemens, das allerdings so nicht verlesen wurde, sondern als Basis für einen freinenVortrag diente. Am Schluss ein Link zum vollständigen Manuskript. RAin Nicole Schneiders hat ihr Plädoyer gleichfalls veröffentlicht. 

 

Sie ging dabei zunächst auf die Plädoyers der Generalbundesanwaltschaft, sowie der Nebenklage ein. Die Bundesanwaltschaft konnte in ihrem fünfstündigen Plädoyer die politische Zielsetzung nicht verhehlen, die für sie eine Rolle spielte. Danach war es offensichtlich erforderlich, dass zwei Täter verurteilt werden, und nicht nur einer. Denn nur bei zwei Tätern kann die Konstruktion einer Tat aufrechterhalten bleiben, die aus einer bestimmten politischen, nämlich nach der Zuweisung der Anklagebehörde rechtsextremen, Ideologie erwachsen ist. Die GenBuA nannte dementsprechend den Lübcke-Fall ersten rechtsextremen Mord seit dem Anschlag auf Reichsaußenminister Rathenau. Der Geschädigte sei zum Ziel geworden als Symbol für die Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Das so zu sehen, ist legitim. Das trägt allerdings weder etwas zur Feststellung des Sachverhaltes bei noch zur Ermittlung des Schuldgehaltes. Dafür ist der Mord an Walther Rathenau ebenso so unbedeutend wie derjenige an Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer oder Generalbundesanwalt Siegfried Buback wie die drei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im 19. Jahrhundert oder auch der Messerangriff auf Frau Reker.

 

Da auch die Nebenklage ihre Ausführungen zur Tat in politische Sichtweisen einbettete, aus denen sie Maßstäbe für das Urteil ableitete und sowohl die GenbuA als auch die Nebenklage daraus Folgen für das Strafmaß gezogen und Signale ausgesprochen wissen wollen, musste gegen den ursprünglichen Willen der Verteidigung des Angeklagten H. einigen politischen Verzerrungen entgegengetreten werden. Denn es zeugt von einer selektiven Wahrnehmung in einem Staat, der den Kampf gegen rechts institutionell führt, von einer Blindheit auf dem rechten Auge zu sprechen.

 

 

Institutioneller Kampf gegen rechts

 

Er führt ihn seit Jahren und Jahrzehnten durch eine kaum zu überblickende Masse an staatlich unterstützten und finanzierten Initiativen, Aufrufen, Aktionen, Programmen, Werbeformaten usw. usw. Erst am 25.11.2020 hat ein Kabinettsauschuss ein weiteres Maßnahmepaket gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen und mit einer Milliarde Euro ausgestattet. Dafür könnte man bei einem bruttomietpreis von € 1.000,- die Jahresmiete von 83.333 Mietwohnungen für sozial schwache Bevölkerungskreise finanzieren.

 

Das schlägt sich regelmäßig in tagespolitischen Aktionen nieder, z.B. um Kundgebungen rechter Gruppen zu stören. Pars pro toto kann hier der OB einer deutschen Großstadt mit seinem Aufruf zu einer Gegenkundgebung gegen eine pegidaähnliche Demonstration im Januar 2015 stehen, die 5000 Leute auf die Straße trieb. Der OB hatte das symbolisch mit dem Abschalten der städtischen Beleuchtung, einschließlich des Funkturms, begleiten lassen. Das Bundesverwaltungsgericht BVerwG, 10 C 6.16, 13.09.2017, stellte die Rechtwidrigkeit des Aufrufes klar. (OVG Münster 15 A 2293/15 vom 04.11.2016). Dieser Fall ist symptomatisch für die inzwischen leider vielfach anzutreffende Rechtsverachtung der öffentlichen Gewalt, wenn es gegen „rechts“ geht. (S. auch Wetzlar.)

 

Hinzukommt die staatsrechtliche Selbstverortung der BRD in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:

 

-       BVerfGE 1 BvR 2150/08 vom 04.11.2009: hier definiert das BVerfGE die Bundesrepublik Deutschland expressis verbis als gegenbildlich identitätsprägend zum Dritten Reich, rechtfertigt damit das ausdrücklich so benannte Sondergesetz des § 130 IV StGB und erfindet eine übergesetzliche Ausnahme vom Erfordernis des allgemeinen Gesetzes in Art. 5 GG. Das zu dem Ziel politische Verfolgung zu ermöglichen.

 

Selbst die öffentliche Ordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss 1 BvQ 9/01 vom 26.01.2001 aus dem Grabe zu neuem Leben erweckt, um damit gegen Versammlungen vorzugehen, in denen eine unerwünschte Geschichtsauffassung proklamiert wird.  

Zu behaupten, der Staat sei im Kampf gegen rechts zu passiv, ist daher von der Rechtswirklichkeit nicht gedeckt. Das Gegenteil ist richtig.

 

Die Verteidigung hätte allerdings nicht dagegen einzuwenden gehabt, wenn die Bundesanwaltschaft ihre rechthistorischen Ausführungen etwas weiter ausgedehnt hätte. Dann hätte sie nämlich dem Gericht und der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass einer der bekanntesten Teilnehmer an jener Tat, der nachmalige Schriftsteller Ernst von Salomon, als Gehilfe zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, 12 J. 2/1922 St.P.R. 6/22, Urteil vom 13.10.1922, (teilabgedruckt in der Zeitung Der Tag vom 15. Oktober 1922). Fünf, nicht neun, wie es die GenBuA für den Angeklagten H. forderte, und das bei einem realen Tatbeitrag. Auch weitere Details des Urteils könnten fast als Blaupause für unseren Fall dienen, denn es werden darin nahezu identische Rechtsfragen erörtert. Dazu trug die GenBua aber nichts vor. Sie muss sie sich also fragen lassen, ob es ihr nur auf den propagandistischen Effekt ankommt, der eintritt, sobald man den Komplex des Rathenau-Attentates erwähnt.

 

 

 

 

 

Video und Art. 5 und 20 GG

 

Breiten Raum nimmt in der Argumentation der Bundesanwaltschaft das Video, das der Angeklagte H. von der Veranstaltung in Lohfelden am 14. Oktober 2015 gefertigt und ins Netz gestellt haben soll, ein. Darin sprach der Geschädigte die verhängnisvollen Worte:

 

„Wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen, das ist das Recht eines jeden Deutschen.“

 

Abgesehen davon, dass das Video, wie später gezeigt werden wird, für den Tathergang unerheblich war, ist auch die von der Bundesanwaltschaft indirekt in den Raum gestellte moralische Verurteilung der Verbreitung des Videos verfehlt. Sie ist es, weil sie die Wertungen der deutschen Verfassung außer Acht lässt. Denn die Einstellung des Videos in das Internet war legitim im Sinne der demokratischen Kontrolle der Repräsentanten der Macht, als der auch der Geschädigte gesehen werden muss, und ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5GG gedeckt.

 

Kundgebungen und Art. 8 GG

 

Weiter kann die immer wieder bemühte gemeinsame Teilnahme der beiden Angeklagten an den gleichen Demonstrationen nur aus der politischen Stoßrichtung, die die GenBuA verfolgt, verstanden werden. Denn sie hat weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage. Stattdessen leitet sie aus einer nicht nur allgemein rechtmäßigen, sondern grundrechtlich geschützten Handlung eine strafrechtliche Relevanz ab, die ihr die Rechtsordnung nicht zuspricht.  Die Verwirklichung des Grundrechts soll eine Beihilfe im Sinne von § 27 StGB sein. Die Teilnahme an einer Versammlung hat aber nicht dadurch eine Affinität zu einer Mordtat, dass auf ihr rechte Inhalte verbreitet werden. In der Konsequenz läuft die von der Staatsanwaltschaft vertretene Rechtsansicht darauf hinaus, dass rechtsdenkende Bürger auf die Verwirklichung ihres Grundrechts verzichten müssen, um nicht strafrechtlich des Mordes verdächtig(t) zu werden. Das wiegt umso schwerer als das Grundrecht aus Artikel 8 GG seit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 69, 315) in ständiger Rechtsprechung für die freiheitliche, demokratische Grundordnung als schlechthin konstituierend gilt. Dafür, dass durch die konkreten Kundgebungen, die im Verfahren erörtert wurden, eine Radikalisierungswirkung oder überhaupt eine inhaltliche Wirkung herbeigeführt worden sein soll, hat die HV keine Erkenntnisse erbracht. Im Übrigen kann es auch genau umgekehrt sein, indem die vermehrte Teilnahme an Kundgebungen der immer gleichen politischen Ausrichtung ein Abnutzungs- und Langeweile-Effekt - Eintritt.

 

 

 

 

 

Öffentliche Vorverurteilung

 

Mit ihrer Wertung steht die Bundesanwaltschaft indes nicht allein. Sie wurde und wird von den Medien lauthals unterstützt, was von vornherein der Fairness des Verfahrens entgegenlief.  

Wir haben erlebt, dass die in der HV in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Vernehmungen des Angeklagten Ernst an die Presse durchgesteckt und Original-Teile daraus ins Internet eingestellt wurden; nicht etwa anonym durch einen geheimen User sondern vom steuerfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen in seinem Jugendformat STRG-F. In jüngster Zeit kamen diverse Fernseh- oder Radiobeiträge hinzu. zum Beispiel ein Podcast aus dem Hessischen Rundfunk vom 22.12.2020 mit dem Titel „Strukturen im Hintergrund“ hinzu:

Weniger Zurückhaltung legte sich eine Reporterin des Hessischen Rundfunks in einem Fernsehbeitrag mit dem bezeichnenden Titel „Das Vorurteil“ vom 10.12.2020 auf, i dem sie in übler Manier Stimmung gegen den Angeklagten H. Machte. Er sei böse, unerträglich, gefährlich und wahrscheinlich sogar Mittäter.

 

 Unrühmlicher Höhepunkt war schließlich die Ausstrahlung des sogenannten Doku-Dramas „Schuss in der Nacht am 04.12.2020 in der ARD, in der weit vor Abschluss des Verfahrens bereits die wesentlichen politischen Ergebnisse präsentiert wurden – mit dem Angeklagten H. als Bösewicht. Das all das dazu diente, Stimmung gegen ihn zu erzeugen und das Gericht gegen ihn zu beeinflussen, liegt auf der Hand.

 

Schließlich ergänzte sich das Vorgehen der Bundesanwaltschaft mit der Nebenklage der Familie Lübcke. Und verlangte immer wieder innerhalb und außerhalb der HV eine Verurteilung des Angeklagten H als Mittäter, obwohl die Anklage nur auf Beihilfe lautet. Dabei stach wiederum deren mediales Vorgehen hervor. Dessen Höhepunkt war eine Presserklärung, die im Spiegel am 28.11.2020 wie folgt wiedergegeben wurde:

 

„Die Familie Lübcke hat schon seit mehreren Wochen den zunehmenden Eindruck gewonnen, dass weitere Aufklärung zur Tatbeteiligung von H. nicht gewünscht ist, weil dies den Senat in die Gefahr bringen könnte, die eigene Haftentscheidung revidieren zu müssen.“

 

  

Psychische Beihilfe

 

Psychische Beihilfe ist eine Beteiligungsform, die das Gesetz so nicht kennt, die aber in der Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannt ist. Aber die Beispielsfälle sind andere, als das, was dem Angeklagten H. vorgeworfen wird.

 

So führt Roxin, Strafrecht, AT, Band II, München 2003, § 26 C 5 (Rn. 197ff.) folgende Fälle psychischer Beihilfe an:

 

-       Rn. 201: die Fallgruppe der vorgeleisteten Strafvereitelung, bei der der Gehilfe einen Beitrag dazu leistet, dass der Täter unentdeckt oder unbestraft bleibt. Wer dem Täter einen Tarnanzug, eine Gesichtsmaske (sic!) oder ein Staubhemd, RG 8, 267 liefert, damit er vom Opfer nicht erkannt wird.

 

-       Rn. 201: Gehilfe kann auch sein, wer dem Täter (vorab) für den Fall einer polizeilichen Untersuchung ein Alibi verspricht.

 

-       Rn. 200: die Zusage gegenüber einer Zeugin zu ihrer unwahren Aussage in einem Ehescheidungsprozess zu schweigen

 

-       Rn. 200: die Geldbeschaffung für eine zur Schwangerschaftsabtreibung bereits entschlossene Frau

 

-       Rn. 200: Zusicherung der Geleibten, den Ehemann. der zur Ermordung vorgesehenen Frau nach der Tat zu heiraten

 

Alle diese Varianten sind nur scheinbar auf den Angeklagten H. zu übertragen, denn ihnen ist gemeinsam, was bei Herrn H. selbst nach der ausdrücklichen, bis heute beibehaltenen, Einschätzung der Bundesanwaltschaft gerade fehlt: das sichere Wissen um die Haupttat. Der schwache (nämlich geistige) Tatbeitrag ist in diesen Fällen durch das starke Willenselement ausgeglichen.

Dagegen

 

„reicht die bloße Solidarisierung mit dem Täter, die Bekundung von Zustimmung zu seinem Vorgehen oder von Sympathie damit, für eine strafbare Beihilfe nicht aus. Denn dadurch wird ein Tatentschluss weder stabilisiert noch auf eine breitere Grundlage gestellt.“  

 

  

Fälle psychischer Beihilfe, bei denen der Gehilfe keine Kenntnis von einer konkreten Tat hat, sind weder in der Literatur, noch in der Wissenschaft anerkannt.

 

 

Widersprüche:

 

Ein bemerkenswerter Widerspruch des Plädoyers zeigt die Angreifbarkeit der Argumentation: So führte es aus, der Angeklagte Ernst sei von einem tiefverwurzelten Fremdenhass geprägt, er habe ein tief eingeschliffenes inneres Weltbild besessen und habe seit Jahren eingeschliffene Denk- und Verhaltensmuster gezeigt. Das hat auch ein psychiatrisches Gutachten bestätigt. 

Nur, wenn das so ist, wenn der Angeklagte Ernst seit Jahren dem selben Weltbild verhaftet ist, wenn dieses Weltbild von Ausländerfeindlichkeit gespeist ist und ihn dazu führt, dass er Gewalttaten gegen Menschen verübt, wenn es weiter so eingeschliffen (O-Ton OStA K.) ist, dass eine Haftstrafe dem keinen Abbruch tut, wie kann dann der Angeklagte H. für eine Radikalisierung des Angeklagten Ernst verantwortlich sein? Ja wie ist es dann überhaupt möglich, ihn zu radikalisieren? Die Antwort lautet: Das ist nicht möglich: ein Mensch, der charakterlich so klassifiziert wird, wie es die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer tut, kann nicht radikalisiert werden, er braucht nicht radikalisiert zu werden.  

 

Ferner hat die Bundesanwaltschaft keinen Zeitpunkt definiert, wann und worin sich der Vorsatz des Angeklagten H. manifestiert haben soll. Auch im Plädoyer heißt es insoweit nur: „Spätestens“ (im Juli 2016). Ein Spätestens ist aber prozessual unbedeutend, weder belastbar noch falsifizierbar.

Der Bundesgerichtshof, hat mit Beschluss 3 StR 435/11 vom 28.02.2012, zu den Anforderungen an den Gehilfenvorsatz entschieden::

 

„Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung im Sinne bedingen Vorsatze mindestens für möglich halten und billigen.“ [H.d.V.]

 

Das heißt, ein Angeklagter müsste seinen angenommenen Tatbeitrag auch als solchen erkannt haben. Die HV hat aber nicht die kleinsten Feststellungen darauf ergeben, dass der Angeklagte H. in dem uferlosen Zeitraum von drei Jahren sich jemals klargemacht hätte, nun im Sinne einer etwaigen gegen das Leben einer anderen Person gerichteten Beitrag zu leisten. Und die Bundesanwaltschaft hat solches bis zum heutigen Tage auch nicht vorgetragen.

Auch die NK argumentiert mit Widersprüchen, denn die Schilderungen des Angeklagten E, bezüglich der angeblichen Positionen, der beiden auf dem Grundstück des Opfers passen nicht zum Schusskanal.

Interessanterweise trat im Schlussvortrag der Verteidigung E zu Tage, dass die Familie der NK den Verteidigern gestatteten, das Anwesen der Familie in Istha zu besichtigen.

 

Lücken:

 

Nicht erwähnt wurden von der GenBuA folgende Erkenntnisse der HV:

-          Der angeklagte E nahm im Juni 2011 an einer Sonnenwendfeier bei einem Zentralgestirn des rechten Aktivismus teil und ließ sich hierbei auf einem Foto ablichten  Herr Ernst ist also mitnichten 2009 aus der Szene ausgestiegen, und es bedurfte sicherlich nicht eines Herrn H. oder überhaupt eines Anstoßes von anderen Personen, damit Herr Ernst wieder Anschluss an die Szene bekam.

-          E hat am Arbeitsplatz rechtsgerichtete Zeitschriften verteilt und Kollegen aufgefordert, an Pegida-Kundgebungen teilzunehmen

-          E verkaufte zwei Arbeitskollegen Waffen, was herauskam und dazu führte, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren

-          Von einem Kollegen verlangte E ein Alibi, da er ursprünglich die Tat bestreiten wollte. Bei einem Haftbesuch dieses Kollegen erwähnte er einen etwaigen Einfluss des Angeklagten H im Sinne der Tat auf ihn nicht.

.

 

 

Feststellungen in der HV, Einzelpunkte

 

Behandelt wurde in der noch folgendes:

-          angebliche Ausspähung des Lübcke-Anwesen im Frühjahr 20118. Dabei konnte der Zeuge, ein Sohn des Opfers den Angeklagten H nicht erkennen, sondern nur grob die gesehenen Personen beschreiben. Die von ihm angegebenen Wetterverhältnisse stimmen nicht mit der Dokumentation des Deutschen Wetterdienstes überein. Außerdem hatte der Zeuge als NK monatelang Gelegenheit, die Aussage des Angeklagten E anzuhören und wirkte in all der Zeit stark emotionalisiert und feindselig gegen den Angeklagten H.   

-          Ein Ermittlungsrichter schilderte die angebliche Reaktion des Angeklagten H. auf den Haftbefehl. Ihm lag jedoch seinerzeit eine andere Verdachtslage zugrunde. Ob der Angeklagte aber wirklich so reagierte, wie der Zeuge sagte, darf bezweifelt werden, denn in seinem Prozessverhalten finden wir Gesichtspunkte, die Anlass geben, beides zu hinterfragen. Er zog ein anderthalbseitiges computergeschriebenes Dossier aus der Tasche, das er nach seiner Aussage „privat“ (sic!) angefertigt habe, weil ihm das Verhalten des Angeklagten H. in höchster Weise auffällig vorgekommen sei, und zwar so sehr, dass es ihm wichtig gewesen sei, das für sich zu verschriften. Wenn es aber so wichtig und nachgerade verfahrensrelevant war, dann durfte der Zeuge darüber keinen Privatvermerk anfertigen, den er der Akte vorhält. Ein Ermittlungsrichter im Amt ist nicht Privatperson, und ein solcher Vermerk gehört in die Akte. Ansonsten wird sie unvollständig. Das ist ein Verstoß gegen den prozessualen Grundsatz der Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit. Außerdem ist der Zeuge mit dem Sitzungsvertreter der GenBuA befreundet.

-          Video: Abgesehen von der Tatsache, dass gegen die Erstellung und Verbreitung des Videos von der Veranstaltung in Lohfelden weder juristisch noch moralisch etwas eingewandt werden kann (s.o.), hatte dieses Video keinen Einfluss auf die Tat. Der Angeklagte Ernst bedurfte des Videos nicht, um von dem Vorgang in Lohfelden Kenntnis zu erlangen. Denn er war ja selbst in Lohfelden dabei! Dieses Video hat deshalb prozessual keinen Erkenntniswert.

-          Kirmes: Der Angeklagte E hat sich ausführlich zum Tatzeitpunkt, einem Kirmeswochenende eingelassen. Zu den angeblichen diesbezüglichen Absprachen wusste er nichts mitzuteilen, Doch wäre das das einzige Detail gewesen, das es überhaupt zu erörtern galt. Denn wenn angeblich schon seit Jahren alles auf die Tötung von Herrn Lübcke hinausgelaufen sein soll, dann wäre als einzig offener Punkt der Zeitpunkt verblieben. Dazu hat Herr Ernst immer wieder angegeben, die Kirmes hätte sich angeboten, weil man unter den vielen Anwesenden nicht aufgefallen wäre. Das ist in der HV kaum hinterfragt worden, aber es ist mitnichten so selbstverständlich, wie es sich anhört; im Gegenteil: Man mag unter vielen Kirmesgängern nicht auffallen. Aber gleichzeitig besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, überhaupt gesehen zu werden. Wenn hunderte an Leuten herumlaufen, muss man doch befürchten, gesehen, vielleicht sogar erkannt zu werden. Auch das Auto kann gesehen werden, es können banale Hindernisse eintreten, damit angefangen, dass man keinen Parkplatz findet, oder im Anschluss an die Tat zugeparkt ist und nicht die Flucht antreten kann. Es mag daher auf der einen Seite, unauffällig sein, während des Rummels in Istha herumzulaufen, auf der anderen Seite aber auch höchst riskant. Es ist nicht vorstellbar, dass es darüber nicht zu Diskussionen zwischen den beiden Angeklagten gekommen sein soll, vor allem nicht, wenn der Angeklagte H. der Stratege ist, als den ihn der Angeklagte Ernst hinstellen möchte. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass Herr Ernst mit Herrn H. erwogen haben soll, Herrn Dr. Lübcke zunächst auf der Kirmes zu suchen und ihn dort ggfs. zur Rede zu stellen. Vorhergehenden Aussagen widersprechend, es sei seit langem, spätestens seit einem Treffen nach einer Veranstaltung im Schützenverein, das der Angeklagte monatelang beharrlich auf April festlegte, und erst als das mit anderen Ergebnissen nicht zusammenpasste auf den Mai verlegte, festgelegt gewesen, Herrn Dr. Lübcke zu töten, hat der Angeklagte Ernst noch einmal in der HV vom 10.12.2020 eine frühere Aussage aufgegriffen, der Abend sei ergebnisoffen geplant gewesen, um diese Kirmesversion plausibel erscheinen zu lassen. Die Kirmes hat jedoch in einem anderen Punkt eine Bedeutung, und zwar eine symbolische. E hatte gesagt

Bei mir war das so, ich dachte: Guck sie dir alle an, guck sie dir an, die feiern da, für die scheint die Welt in Ordnung. Und ich dachte so: Um uns herum sterben doch die Leute, ich möchte, dass der Terror zu ihnen kommt“

 

Zusammenfassung:  

 

Erstens:

 

Beim Angeklagten E ist ein grundlegendes Verhaltensmuster festzustellen: Fehler sucht er bei anderen, denen er die Schuld für eigene Fehler oder Verhaltensmuster zuschiebt:  

  

-       Für die Ausländerfeindlichkeit war sein Vater verantwortlich, da der Angeklagte ihm durch die angebliche Übernahme dieser Anschauung imponieren wollte.  

-       Für den Anschlag auf den türkischen Imam in Wiesbaden im Jahr 1993 war das Tatopfer selbst verantwortlich, weil es Herrn Ernst sexuell belästigt habe.

-       Für den behaupteten Ausstieg aus der rechten Szene waren Kameraden verantwortlich, weil sie seine Frau beleidigt hätten.

-       Für die negativen Folgen der Merkelschen Ausländerpolitik bis hin zu Gewalttaten durch Flüchtlinge war Herr Dr. Lübcke verantwortlich.

-       Für dem angeblichen Wiedereinstig in die rechte Szene und die weitere Radikalisierung war angeblich der Angeklagte H. verantwortlich.

 

Dieses Verhaltensmuster setzte sich im Prozess nahtlos fort:

 

-       Für das erste Geständnis, bei dem er angeblich wahrheitswidrig den Angeklagten H. nicht belastete, war der Verteidiger W. verantwortlich.

-       Für das falsche zweite Geständnis, bei dem er den Angeklagten H. als versehentlichen Schützen benannte, war der ehemalige Verteidiger Hg. verantwortlich.

 

Diesbezüglich hat der Sachverständige ausgeführt.

 

„Herr Ernst hat in der Exploration generell dazu tendiert, die Hintergründe eigener problematischer Verhaltensweisen auf externe Faktoren zurückzuführen.“

 

Zweitens:

 Sowie er andere für eigene Fehler verantwortlich macht, bindet er sie auch bedenken- und rücksichtslos in eigene Straftaten ein:

 

-       Den Zeugen A1. versuchte er für ein falsches Alibi zu missbrauchen

-       Den Zeugen L2 versuchte er für die Hilfe beim Entsorgen der Waffen zu missbrauchen

-       Eben diesen Zeugen missbrauchte er als Abnehmer für Waffen, die er auch noch an der Arbeit verkaufte. So führte er die Entlassung L2s herbei

-       Gleiches gilt für den Zeugen M.    

 

Die Verteidigung sieht darin dasselbe Verhaltens- und Charakterbild, aus dem heraus der Angeklagte Ernst den Angeklagten H. mit einer Tat belasten will, an der er keinen Anteil hat.

 

Drittens:

hat er sich in zahlreichen Punkten widersprochen, Dinge verzerrt, falsch dargestellt oder ist der Lüge überführt:

 

Viertens:

 hat der Angeklagte Ernst sein Aussageverhalten während des gesamten Prozesses, auch schon im Vorverfahren immer dem Erkenntnisfortschritt sowie den Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden, bzw. die er angenommen hat, angepasst. Dabei hat er spätestens seit der Aussage der Zeugin BL. am 03.12.2020 eine Art geistigen Ping-Pong-Spiels mit der Nebenklage entwickelt, bei dem sich beide die Bälle zugeworfen haben. Der Angeklagte Ernst hat genau erkannt, dass die Nebenklage mit der Brechstange den Angeklagten H. in die Tat involviert wissen wollte und will. Von der Verbissenheit, mit der die Nebenklage dieses Ziel verfolgt, konnten wir uns noch einmal am 12.01.2021 überzeugen. In der Öffentlichkeit wird es ja seit langem lautstark kommuniziert (s.o).

 

Am Schluss des Verfahrens kam schließlich heraus, wozu der Angeklagte E sein Spiel betrieben hat. In der HV vom 21.01.2020 präsentierte und offenbarte er über seine Verteidigung am 21.01.2021 das durchsichtige Motiv seiner falschen Angaben: Durch die Belastung des Angeklagten H. erhofft er sich Entlastung vom Mordmerkmal der Heimtücke. Dazu brauchte er den zweiten M. am Tatort. Denn sie soll die im Sinne des Mordparagraphen notwendige Arglosigkeit des Tatopfers entfallen lassen. Da das natürlich nur dann etwas nützen kann, um seine Tat vom Vorwurf des Mordes auf den des Totschlages zurückzustufen, hat der Angeklagte Ernst darüber hinaus erklären lassen, dass er, in einer rechten Blase sitzend, sich eingebildet hätte, durch seine Tat etwas für das Allgemeinwohl zu tun. Man kann sich fragen, ob das stimmt oder  konstruiert ist.

   

 Der Angeklagte Ernst neigt zur frisierten Wahrheit und zur Abschiebung der Verantwortung für eigens Verhalten auf andere. Das hat zu etlichen Versionen der Tat geführt, von denen keine einzige für sich stimmt – soweit sind wir uns mit der Bundesanwaltschaft einig – die man aber nicht eklektizistisch zusammensetzen kann, um wie die Bundesanwaltschaft zu einem gewünschten Ergebnis zu kommen. Vielmehr sind schon allein auf objektiv tatbestandlicher Ebene so viel Ungereimtheiten zu Tage getreten, dass der Angeklagte nach dem Zweifelsgrundsatz freizusprechen ist. Da darüber nicht bewiesen werden kann, dass der Angeklagte H. „irgendwann“ oder „spätestens irgendwann“ die erforderliche Vorstellung von der Haupttat hatte, ist für ihn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt.

 

Er ist freizusprechen.   

 

Ferner beantrage ich auszusprechen, dass der Angeklagte H. für die erlittene Untersuchungshaft nach den Vorschriften des StrEG zu entschädigen ist.

 

 

Dr. Björn Clemens, RA


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