Dienstag, 10. März 2020

Fall Lübcke: Haftfortdauerbeschluss

Bundesgerichtshof ignoriert wesentliche Ermittlungsergebnisse


Im Ermittlungsverfahren Lübcke hat der Bundesgerichtshof am 03.03.2020 die Haftfortdauer des Mitbeschuldigten H. angeordnet.

Der Beschluss ist zwar auf hochwertigem Papier abgefasst, mit edler schwarz/rot/goldner Fadenbindung abgeheftet und mit dem stolzen Bundesadler gesiegelt, juristisch lässt er aber zu wünschen übrig. Denn er geht, von einer Ausnahme abgesehen, nicht auf die umfangreichen Argumente der Verteidigung ein, die in zwei Schriftsätzen die Aufhebung des Haftbefehls gefordert hatte. Die bisherigen Ermittlungsergebnisse lassen nämlich nur den Schluss zu, dass der Mitbeschuldigte H. an der Tat nicht beteiligt war. Das interessiert aber den BGH offenkundig nicht. Stattdessen beruft er sich auf seine Entscheidung vom 22.08.2019, mit der er die seinerzeitige Haftbeschwerde verworfen hatte.

Nunmehr prüfte er hauptsächlich, ob der inzwischen vorgelegten abweichenden Tatversion des Hauptbeschuldigten E. aus seinem neuen Geständnis vom 08.01.2020 gefolgt werden könne, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass dem nicht so sei. Aus der Vermutung einer Zeugin, dass E. und H. gemeinsame Schießübungen durchgeführt haben könnten und dem Umstand, dass beide verschiedentlich gemeinsame Kundgebungen aufgesucht hätten, wird sodann ein dringender Tatverdacht gestrickt. Wie zuvor hat der BGH den Beschluss in seine offizielle Entscheidungsdatenbank eingestellt. Man braucht kein Jurist zu sein, um das wenigstens schlechten Stil zu nennen. Faktisch kommt es aber einer Vorverurteilung gleich, die die Unschuldsvermutung des Beschuldigten untergräbt. Honi soit, qui mal y pense.

Es steht nun die Anklageerhebung zum Staatsschutzsenat des OLG Frankfurt zu erwarten. Sollte es dort  zu einem fairen Verfahren kommen, dürfte der Angeklagte H nach jetzigem akten- und nicht ergebnisgeleitetem Erkenntnisstand vom Vorwurf der Tatbeteiligung an der Tötung von Dr. Wolfgang Lübcke freizusprechen sein.  


BGH  AK 63/19