Freitag, 1. Juli 2016



Je begründeter, desto unzulässiger

 Kryptische Entscheidung des OVG Bautzen
 

Im Mai 2016 hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht Bautzen die Klage eines NPD-Mitgliedes gegen seinen Ausschluss als Kandidat von der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Strehla endgültig abgewiesen (4 A 26 und 27/16). Es bestätigte damit das Urteil der Vorinstanz, VG Dresden vom November 2015.  

Die Besonderheit beider Entscheidungen bestand darin, dass die Gerichte nicht etwa zu dem Ergebnis kamen, dass es rechtmäßig gewesen sei, den Kandidaten aufgrund seiner Parteizugehörigkeit auszuschließen. Vielmehr waren sie der Ansicht, dass die Klage nicht zulässig gewesen sein soll, weil es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe. Deshalb befassten sie sich mit seinem inhaltlichen Anliegen nicht. Dies mutet seltsam an, und der Argumentationsstrang, den die Gerichte dabei bemühten, klingt beinahe kryptisch: Weil der erste Wahlgang, bei dem kein zugelassener Kandidat die nötige absolute Mehrheit erzielt hatte, wiederholt werden musste, hätte der Kläger beide Wahlgänge separat anfechten müssen. Er hatte sich jedoch darauf beschränkt, zum einen den Bescheid des Kreiswahlausschusses, der ihm die Teilnahme verwehrte, mittels einer Klage und sodann das Wahlergebnis mittels einer zweiten Klage anzugreifen. Den unselbständigen zweiten Wahlgang, der in völliger Abhängigkeit vom ersten stand, focht er nicht extra an. Alles andere wäre auch eine formale Rabulistik gewesen, die mit gesundem Menschenverstand nichts zu tun hat: Denn der zweite Wahlgang ist, wie § 44a des sächsischen Kommunalwahlgesetzes zeigt, nichts anderes als die Wiederholung des ersten. Dabei können Wahlvorschläge zwar zurückgenommen oder geändert, aber nicht neu benannt werden. Ein eigenständiges Zulassungsverfahren für den zweiten Wahlgang gibt es im Gesetz nicht. Das Gericht hat dennoch indirekt contra legem verlangt, dass der ausgeschlossene Kandidat seine Teilnahme für den zweiten Wahlgang angemeldet hätte, obwohl er vom gesamten Vorgang ausgeschlossen war. Das wäre in etwa so, als wenn ein Fußballer sich für einen Elfmeter meldet, obwohl er vom Trainer schon für das Spiel nicht aufgestellt wurde. Auf den ersten Wahlgang wäre auch deshalb abzustellen gewesen, weil es bei Teilnahme des Kandidaten möglicherweise zum zweiten gar nicht gekommen wäre, da sich die Stimmverhältnisse verschoben hätten. Ziel der Klage war es ja gerade, diesen Fehler zu überprüfen. Der zweite Wahlgang ist somit ein rechtlich unbeachtlicher Nachfolgevorgang.

Das so gefundene Ergebnis hat die Verwaltungsgerichte praktischer Weise (mancher mag fragen: willkommener Weise?) davor bewahrt, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Denn die besagt, dass die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Partei von niemand anderem ausgesprochen werden darf als vom Verfassungsgericht selbst; und daraus folgt, dass sie, bis es soweit ist, von den Behörden nicht zur Grundlage einer Maßnahme gegen die Partei oder ihre Kandidaten gemacht werden darf.

Die Urteile des VG Dresden bzw. des OVG Bautzen reihen sich in eine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung der jüngeren Zeit ein, deren Mode es zu sein scheint, unangenehme Sachverhalte, die den falschen Klägern zum Recht verhelfen könnten, auf dem Wege angeblicher Unzulässigkeit der Klage zu umschiffen. So war das VG Düsseldorf im August 2015 der Ansicht, die Organisatorin der Dügida-Kundgebungen habe kein Recht, im Nachgang überprüfen zu lassen, ob der Düsseldorfer Oberbürgermeister das städtische Licht abschalten und zur Teilnahme an Gegenkundgebungen aufrufen durfte. Das selbe VG Düsseldorf hielt es im März 2016 für unzulässig, dass ein Duisburger Ratsherr eine Pöbelei des Duisburger Oberbürgermeisters gerichtlich anfechten durfte. Der hohe Herr hatte dem Ratsherrn mit dem Ausruf „Ich kann Ihr Gestammel nicht mehr ertragen“ das Wort abgeschnitten. Das VG meinte in diesem Fall, der Ratsherr hätte zunächst außergerichtlich versuchen müssen, den Oberbürgermeister zur Raison zu bringen. Bei der Sachlage stand jedoch von vornherein die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens fest. Auch hier muss man es als weltfremden Formalismus ansehen, den Rechtssuchenden erkennbare Holzwege aufzuzwingen, um ein so genanntes Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen. Aber vielleicht will man es ja gar nicht anerkennen….            

Über Dügida und den Duisburger Fall wird in älteren Blog-Beiträgen berichtet.