Je begründeter, desto unzulässiger
Kryptische
Entscheidung des OVG Bautzen
Im Mai 2016 hat das Sächsische
Oberverwaltungsgericht Bautzen die Klage eines NPD-Mitgliedes gegen seinen
Ausschluss als Kandidat von der Bürgermeisterwahl in der Gemeinde Strehla
endgültig abgewiesen (4 A 26 und 27/16). Es bestätigte damit das Urteil der
Vorinstanz, VG Dresden vom November 2015.
Die Besonderheit beider
Entscheidungen bestand darin, dass die Gerichte nicht etwa zu dem Ergebnis
kamen, dass es rechtmäßig gewesen sei, den Kandidaten aufgrund seiner
Parteizugehörigkeit auszuschließen. Vielmehr waren sie der Ansicht, dass die
Klage nicht zulässig gewesen sein soll, weil es dem Kläger am
Rechtsschutzbedürfnis gefehlt habe. Deshalb befassten sie sich mit seinem inhaltlichen
Anliegen nicht. Dies mutet seltsam an, und der Argumentationsstrang, den die
Gerichte dabei bemühten, klingt beinahe kryptisch: Weil der erste Wahlgang, bei
dem kein zugelassener Kandidat die nötige absolute Mehrheit erzielt hatte,
wiederholt werden musste, hätte der Kläger beide Wahlgänge separat anfechten
müssen. Er hatte sich jedoch darauf beschränkt, zum einen den Bescheid des
Kreiswahlausschusses, der ihm die Teilnahme verwehrte, mittels einer Klage und
sodann das Wahlergebnis mittels einer zweiten Klage anzugreifen. Den
unselbständigen zweiten Wahlgang, der in völliger Abhängigkeit vom ersten
stand, focht er nicht extra an. Alles andere wäre auch eine formale Rabulistik
gewesen, die mit gesundem Menschenverstand nichts zu tun hat: Denn der zweite
Wahlgang ist, wie § 44a des sächsischen Kommunalwahlgesetzes zeigt, nichts
anderes als die Wiederholung des ersten. Dabei können Wahlvorschläge zwar
zurückgenommen oder geändert, aber nicht neu benannt werden. Ein eigenständiges
Zulassungsverfahren für den zweiten Wahlgang gibt es im Gesetz nicht. Das
Gericht hat dennoch indirekt contra legem verlangt, dass der ausgeschlossene
Kandidat seine Teilnahme für den zweiten Wahlgang angemeldet hätte, obwohl er
vom gesamten Vorgang ausgeschlossen war. Das wäre in etwa so, als wenn ein
Fußballer sich für einen Elfmeter meldet, obwohl er vom Trainer schon für das
Spiel nicht aufgestellt wurde. Auf den ersten Wahlgang wäre auch deshalb
abzustellen gewesen, weil es bei Teilnahme des Kandidaten möglicherweise zum zweiten
gar nicht gekommen wäre, da sich die Stimmverhältnisse verschoben hätten. Ziel
der Klage war es ja gerade, diesen
Fehler zu überprüfen. Der zweite Wahlgang ist somit ein rechtlich
unbeachtlicher Nachfolgevorgang.
Das so gefundene Ergebnis hat die
Verwaltungsgerichte praktischer Weise (mancher mag fragen: willkommener Weise?)
davor bewahrt, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen.
Denn die besagt, dass die angebliche Verfassungswidrigkeit einer Partei von
niemand anderem ausgesprochen werden darf als vom Verfassungsgericht selbst;
und daraus folgt, dass sie, bis es soweit ist, von den Behörden nicht zur
Grundlage einer Maßnahme gegen die Partei oder ihre Kandidaten gemacht werden
darf.
Die Urteile des VG Dresden bzw.
des OVG Bautzen reihen sich in eine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung der
jüngeren Zeit ein, deren Mode es zu sein scheint, unangenehme Sachverhalte, die
den falschen Klägern zum Recht verhelfen könnten, auf dem Wege angeblicher
Unzulässigkeit der Klage zu umschiffen. So war das VG Düsseldorf im August 2015
der Ansicht, die Organisatorin der Dügida-Kundgebungen habe kein Recht, im
Nachgang überprüfen zu lassen, ob der Düsseldorfer Oberbürgermeister das
städtische Licht abschalten und zur Teilnahme an Gegenkundgebungen aufrufen
durfte. Das selbe VG Düsseldorf hielt es im März 2016 für unzulässig, dass ein
Duisburger Ratsherr eine Pöbelei des Duisburger Oberbürgermeisters gerichtlich
anfechten durfte. Der hohe Herr hatte dem Ratsherrn mit dem Ausruf „Ich kann
Ihr Gestammel nicht mehr ertragen“ das Wort abgeschnitten. Das VG meinte in
diesem Fall, der Ratsherr hätte zunächst außergerichtlich versuchen müssen, den
Oberbürgermeister zur Raison zu bringen. Bei der Sachlage stand jedoch von
vornherein die Aussichtslosigkeit eines solchen Unterfangens fest. Auch hier
muss man es als weltfremden Formalismus ansehen, den Rechtssuchenden erkennbare
Holzwege aufzuzwingen, um ein so genanntes Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen.
Aber vielleicht will man es ja gar nicht anerkennen….
Über Dügida und den Duisburger
Fall wird in älteren Blog-Beiträgen berichtet.