Donnerstag, 27. August 2020


Eklat im Lübcke-Prozess


 Dünnhäutiger Vorsitzender entzieht Verteidiger das Wort


Im Strafverfahren wegen des Tötungsdeliktes am früheren Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke vor dem OLG Frankfurt kam es am 27. August 2020, dem 13. Verhandlungstag, zu einem Eklat. Als der Verteidiger des Mitangeklagten H. die Zeugenaussage des Leiters der polizeilichen Sonderkommission in einer prozessualen Erklärung zusammenfasste, entzog ihm der Vorsitzende Richter das Wort. Angeblich hätte der Verteidiger unzulässigerweise das Schlussplädoyer vorweggenommen. Worum es aber wahrscheinlich im Eigentlichen ging, ließ der Richter durchblicken, als er den Verteidiger mit den sinngemäßen Worten rügte, es komme ihm nicht zu, anderen Verfahrensbeteiligten tendenziöses Verhalten zu unterstellen. In der Tat hatte der Verteidiger zuvor eine entsprechende Andeutung gemacht.  Denn der Zeuge hatte in seiner Aussage, etwa zu den angeblichen Laufwegen bei der Tatausführung, zu nicht festgestellten Fußspuren und zur Beleuchtung die Einlassung des Hauptangeklagten diametral widerlegt. Möglicherweise gefällt das dem einen oder anderen nicht. Das auszusprechen gehört zu den Kernpflichten eines Verteidigers, gerade wenn er den Verdacht von ergebnisorientiertem Verhalten in der Hauptverhandlung hat, egal von welcher Seite es kommen mag. Die ungehaltene Reaktion des Vorsitzenden, der bei seinen eigenen Worten oft wenig wählerisch ist („Hören Sie nicht auf Ihre Verteidiger, hören Sie auf mich“, „Diese Anträge waren gequirlter Unsinn“) zog einen weiteren Befangenheitsantrag nach sich. Da der Senat den Vorsitzenden mit einem Beschluss deckte, richtet sich der Befangenheitsantrag gegen ihn als Ganzes.