Dienstag, 26. Januar 2021

Lübcke-Prozess: Schlussvortrag der Verteidigung des Angeklagten H:

 


In dem Strafverfahren OLG Frankfurt/M.  – 2 StE 1/20 -5a-3/20, Mordfall Dr. Walther Lübcke hat die Verteidigung des Angeklagten H am 26.01.2021 ihre Schlussvorträge gehalten. Nachfolgend Auszüge des Mansuskriptes von Dr. Björn Clemens, das allerdings so nicht verlesen wurde, sondern als Basis für einen freinenVortrag diente. Am Schluss ein Link zum vollständigen Manuskript. RAin Nicole Schneiders hat ihr Plädoyer gleichfalls veröffentlicht. 

 

Sie ging dabei zunächst auf die Plädoyers der Generalbundesanwaltschaft, sowie der Nebenklage ein. Die Bundesanwaltschaft konnte in ihrem fünfstündigen Plädoyer die politische Zielsetzung nicht verhehlen, die für sie eine Rolle spielte. Danach war es offensichtlich erforderlich, dass zwei Täter verurteilt werden, und nicht nur einer. Denn nur bei zwei Tätern kann die Konstruktion einer Tat aufrechterhalten bleiben, die aus einer bestimmten politischen, nämlich nach der Zuweisung der Anklagebehörde rechtsextremen, Ideologie erwachsen ist. Die GenBuA nannte dementsprechend den Lübcke-Fall ersten rechtsextremen Mord seit dem Anschlag auf Reichsaußenminister Rathenau. Der Geschädigte sei zum Ziel geworden als Symbol für die Flüchtlingspolitik Angela Merkels. Das so zu sehen, ist legitim. Das trägt allerdings weder etwas zur Feststellung des Sachverhaltes bei noch zur Ermittlung des Schuldgehaltes. Dafür ist der Mord an Walther Rathenau ebenso so unbedeutend wie derjenige an Arbeitgeberpräsident Hans Martin Schleyer oder Generalbundesanwalt Siegfried Buback wie die drei Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im 19. Jahrhundert oder auch der Messerangriff auf Frau Reker.

 

Da auch die Nebenklage ihre Ausführungen zur Tat in politische Sichtweisen einbettete, aus denen sie Maßstäbe für das Urteil ableitete und sowohl die GenbuA als auch die Nebenklage daraus Folgen für das Strafmaß gezogen und Signale ausgesprochen wissen wollen, musste gegen den ursprünglichen Willen der Verteidigung des Angeklagten H. einigen politischen Verzerrungen entgegengetreten werden. Denn es zeugt von einer selektiven Wahrnehmung in einem Staat, der den Kampf gegen rechts institutionell führt, von einer Blindheit auf dem rechten Auge zu sprechen.

 

 

Institutioneller Kampf gegen rechts

 

Er führt ihn seit Jahren und Jahrzehnten durch eine kaum zu überblickende Masse an staatlich unterstützten und finanzierten Initiativen, Aufrufen, Aktionen, Programmen, Werbeformaten usw. usw. Erst am 25.11.2020 hat ein Kabinettsauschuss ein weiteres Maßnahmepaket gegen Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen und mit einer Milliarde Euro ausgestattet. Dafür könnte man bei einem bruttomietpreis von € 1.000,- die Jahresmiete von 83.333 Mietwohnungen für sozial schwache Bevölkerungskreise finanzieren.

 

Das schlägt sich regelmäßig in tagespolitischen Aktionen nieder, z.B. um Kundgebungen rechter Gruppen zu stören. Pars pro toto kann hier der OB einer deutschen Großstadt mit seinem Aufruf zu einer Gegenkundgebung gegen eine pegidaähnliche Demonstration im Januar 2015 stehen, die 5000 Leute auf die Straße trieb. Der OB hatte das symbolisch mit dem Abschalten der städtischen Beleuchtung, einschließlich des Funkturms, begleiten lassen. Das Bundesverwaltungsgericht BVerwG, 10 C 6.16, 13.09.2017, stellte die Rechtwidrigkeit des Aufrufes klar. (OVG Münster 15 A 2293/15 vom 04.11.2016). Dieser Fall ist symptomatisch für die inzwischen leider vielfach anzutreffende Rechtsverachtung der öffentlichen Gewalt, wenn es gegen „rechts“ geht. (S. auch Wetzlar.)

 

Hinzukommt die staatsrechtliche Selbstverortung der BRD in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:

 

-       BVerfGE 1 BvR 2150/08 vom 04.11.2009: hier definiert das BVerfGE die Bundesrepublik Deutschland expressis verbis als gegenbildlich identitätsprägend zum Dritten Reich, rechtfertigt damit das ausdrücklich so benannte Sondergesetz des § 130 IV StGB und erfindet eine übergesetzliche Ausnahme vom Erfordernis des allgemeinen Gesetzes in Art. 5 GG. Das zu dem Ziel politische Verfolgung zu ermöglichen.

 

Selbst die öffentliche Ordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss 1 BvQ 9/01 vom 26.01.2001 aus dem Grabe zu neuem Leben erweckt, um damit gegen Versammlungen vorzugehen, in denen eine unerwünschte Geschichtsauffassung proklamiert wird.  

Zu behaupten, der Staat sei im Kampf gegen rechts zu passiv, ist daher von der Rechtswirklichkeit nicht gedeckt. Das Gegenteil ist richtig.

 

Die Verteidigung hätte allerdings nicht dagegen einzuwenden gehabt, wenn die Bundesanwaltschaft ihre rechthistorischen Ausführungen etwas weiter ausgedehnt hätte. Dann hätte sie nämlich dem Gericht und der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass einer der bekanntesten Teilnehmer an jener Tat, der nachmalige Schriftsteller Ernst von Salomon, als Gehilfe zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt wurde, 12 J. 2/1922 St.P.R. 6/22, Urteil vom 13.10.1922, (teilabgedruckt in der Zeitung Der Tag vom 15. Oktober 1922). Fünf, nicht neun, wie es die GenBuA für den Angeklagten H. forderte, und das bei einem realen Tatbeitrag. Auch weitere Details des Urteils könnten fast als Blaupause für unseren Fall dienen, denn es werden darin nahezu identische Rechtsfragen erörtert. Dazu trug die GenBua aber nichts vor. Sie muss sie sich also fragen lassen, ob es ihr nur auf den propagandistischen Effekt ankommt, der eintritt, sobald man den Komplex des Rathenau-Attentates erwähnt.

 

 

 

 

 

Video und Art. 5 und 20 GG

 

Breiten Raum nimmt in der Argumentation der Bundesanwaltschaft das Video, das der Angeklagte H. von der Veranstaltung in Lohfelden am 14. Oktober 2015 gefertigt und ins Netz gestellt haben soll, ein. Darin sprach der Geschädigte die verhängnisvollen Worte:

 

„Wer diese Werte nicht vertritt, kann jederzeit dieses Land verlassen, das ist das Recht eines jeden Deutschen.“

 

Abgesehen davon, dass das Video, wie später gezeigt werden wird, für den Tathergang unerheblich war, ist auch die von der Bundesanwaltschaft indirekt in den Raum gestellte moralische Verurteilung der Verbreitung des Videos verfehlt. Sie ist es, weil sie die Wertungen der deutschen Verfassung außer Acht lässt. Denn die Einstellung des Videos in das Internet war legitim im Sinne der demokratischen Kontrolle der Repräsentanten der Macht, als der auch der Geschädigte gesehen werden muss, und ist durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gemäß Art. 5GG gedeckt.

 

Kundgebungen und Art. 8 GG

 

Weiter kann die immer wieder bemühte gemeinsame Teilnahme der beiden Angeklagten an den gleichen Demonstrationen nur aus der politischen Stoßrichtung, die die GenBuA verfolgt, verstanden werden. Denn sie hat weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Grundlage. Stattdessen leitet sie aus einer nicht nur allgemein rechtmäßigen, sondern grundrechtlich geschützten Handlung eine strafrechtliche Relevanz ab, die ihr die Rechtsordnung nicht zuspricht.  Die Verwirklichung des Grundrechts soll eine Beihilfe im Sinne von § 27 StGB sein. Die Teilnahme an einer Versammlung hat aber nicht dadurch eine Affinität zu einer Mordtat, dass auf ihr rechte Inhalte verbreitet werden. In der Konsequenz läuft die von der Staatsanwaltschaft vertretene Rechtsansicht darauf hinaus, dass rechtsdenkende Bürger auf die Verwirklichung ihres Grundrechts verzichten müssen, um nicht strafrechtlich des Mordes verdächtig(t) zu werden. Das wiegt umso schwerer als das Grundrecht aus Artikel 8 GG seit dem Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 69, 315) in ständiger Rechtsprechung für die freiheitliche, demokratische Grundordnung als schlechthin konstituierend gilt. Dafür, dass durch die konkreten Kundgebungen, die im Verfahren erörtert wurden, eine Radikalisierungswirkung oder überhaupt eine inhaltliche Wirkung herbeigeführt worden sein soll, hat die HV keine Erkenntnisse erbracht. Im Übrigen kann es auch genau umgekehrt sein, indem die vermehrte Teilnahme an Kundgebungen der immer gleichen politischen Ausrichtung ein Abnutzungs- und Langeweile-Effekt - Eintritt.

 

 

 

 

 

Öffentliche Vorverurteilung

 

Mit ihrer Wertung steht die Bundesanwaltschaft indes nicht allein. Sie wurde und wird von den Medien lauthals unterstützt, was von vornherein der Fairness des Verfahrens entgegenlief.  

Wir haben erlebt, dass die in der HV in Augenschein genommenen Videoaufnahmen der Vernehmungen des Angeklagten Ernst an die Presse durchgesteckt und Original-Teile daraus ins Internet eingestellt wurden; nicht etwa anonym durch einen geheimen User sondern vom steuerfinanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen in seinem Jugendformat STRG-F. In jüngster Zeit kamen diverse Fernseh- oder Radiobeiträge hinzu. zum Beispiel ein Podcast aus dem Hessischen Rundfunk vom 22.12.2020 mit dem Titel „Strukturen im Hintergrund“ hinzu:

Weniger Zurückhaltung legte sich eine Reporterin des Hessischen Rundfunks in einem Fernsehbeitrag mit dem bezeichnenden Titel „Das Vorurteil“ vom 10.12.2020 auf, i dem sie in übler Manier Stimmung gegen den Angeklagten H. Machte. Er sei böse, unerträglich, gefährlich und wahrscheinlich sogar Mittäter.

 

 Unrühmlicher Höhepunkt war schließlich die Ausstrahlung des sogenannten Doku-Dramas „Schuss in der Nacht am 04.12.2020 in der ARD, in der weit vor Abschluss des Verfahrens bereits die wesentlichen politischen Ergebnisse präsentiert wurden – mit dem Angeklagten H. als Bösewicht. Das all das dazu diente, Stimmung gegen ihn zu erzeugen und das Gericht gegen ihn zu beeinflussen, liegt auf der Hand.

 

Schließlich ergänzte sich das Vorgehen der Bundesanwaltschaft mit der Nebenklage der Familie Lübcke. Und verlangte immer wieder innerhalb und außerhalb der HV eine Verurteilung des Angeklagten H als Mittäter, obwohl die Anklage nur auf Beihilfe lautet. Dabei stach wiederum deren mediales Vorgehen hervor. Dessen Höhepunkt war eine Presserklärung, die im Spiegel am 28.11.2020 wie folgt wiedergegeben wurde:

 

„Die Familie Lübcke hat schon seit mehreren Wochen den zunehmenden Eindruck gewonnen, dass weitere Aufklärung zur Tatbeteiligung von H. nicht gewünscht ist, weil dies den Senat in die Gefahr bringen könnte, die eigene Haftentscheidung revidieren zu müssen.“

 

  

Psychische Beihilfe

 

Psychische Beihilfe ist eine Beteiligungsform, die das Gesetz so nicht kennt, die aber in der Rechtsprechung und Wissenschaft anerkannt ist. Aber die Beispielsfälle sind andere, als das, was dem Angeklagten H. vorgeworfen wird.

 

So führt Roxin, Strafrecht, AT, Band II, München 2003, § 26 C 5 (Rn. 197ff.) folgende Fälle psychischer Beihilfe an:

 

-       Rn. 201: die Fallgruppe der vorgeleisteten Strafvereitelung, bei der der Gehilfe einen Beitrag dazu leistet, dass der Täter unentdeckt oder unbestraft bleibt. Wer dem Täter einen Tarnanzug, eine Gesichtsmaske (sic!) oder ein Staubhemd, RG 8, 267 liefert, damit er vom Opfer nicht erkannt wird.

 

-       Rn. 201: Gehilfe kann auch sein, wer dem Täter (vorab) für den Fall einer polizeilichen Untersuchung ein Alibi verspricht.

 

-       Rn. 200: die Zusage gegenüber einer Zeugin zu ihrer unwahren Aussage in einem Ehescheidungsprozess zu schweigen

 

-       Rn. 200: die Geldbeschaffung für eine zur Schwangerschaftsabtreibung bereits entschlossene Frau

 

-       Rn. 200: Zusicherung der Geleibten, den Ehemann. der zur Ermordung vorgesehenen Frau nach der Tat zu heiraten

 

Alle diese Varianten sind nur scheinbar auf den Angeklagten H. zu übertragen, denn ihnen ist gemeinsam, was bei Herrn H. selbst nach der ausdrücklichen, bis heute beibehaltenen, Einschätzung der Bundesanwaltschaft gerade fehlt: das sichere Wissen um die Haupttat. Der schwache (nämlich geistige) Tatbeitrag ist in diesen Fällen durch das starke Willenselement ausgeglichen.

Dagegen

 

„reicht die bloße Solidarisierung mit dem Täter, die Bekundung von Zustimmung zu seinem Vorgehen oder von Sympathie damit, für eine strafbare Beihilfe nicht aus. Denn dadurch wird ein Tatentschluss weder stabilisiert noch auf eine breitere Grundlage gestellt.“  

 

  

Fälle psychischer Beihilfe, bei denen der Gehilfe keine Kenntnis von einer konkreten Tat hat, sind weder in der Literatur, noch in der Wissenschaft anerkannt.

 

 

Widersprüche:

 

Ein bemerkenswerter Widerspruch des Plädoyers zeigt die Angreifbarkeit der Argumentation: So führte es aus, der Angeklagte Ernst sei von einem tiefverwurzelten Fremdenhass geprägt, er habe ein tief eingeschliffenes inneres Weltbild besessen und habe seit Jahren eingeschliffene Denk- und Verhaltensmuster gezeigt. Das hat auch ein psychiatrisches Gutachten bestätigt. 

Nur, wenn das so ist, wenn der Angeklagte Ernst seit Jahren dem selben Weltbild verhaftet ist, wenn dieses Weltbild von Ausländerfeindlichkeit gespeist ist und ihn dazu führt, dass er Gewalttaten gegen Menschen verübt, wenn es weiter so eingeschliffen (O-Ton OStA K.) ist, dass eine Haftstrafe dem keinen Abbruch tut, wie kann dann der Angeklagte H. für eine Radikalisierung des Angeklagten Ernst verantwortlich sein? Ja wie ist es dann überhaupt möglich, ihn zu radikalisieren? Die Antwort lautet: Das ist nicht möglich: ein Mensch, der charakterlich so klassifiziert wird, wie es die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer tut, kann nicht radikalisiert werden, er braucht nicht radikalisiert zu werden.  

 

Ferner hat die Bundesanwaltschaft keinen Zeitpunkt definiert, wann und worin sich der Vorsatz des Angeklagten H. manifestiert haben soll. Auch im Plädoyer heißt es insoweit nur: „Spätestens“ (im Juli 2016). Ein Spätestens ist aber prozessual unbedeutend, weder belastbar noch falsifizierbar.

Der Bundesgerichtshof, hat mit Beschluss 3 StR 435/11 vom 28.02.2012, zu den Anforderungen an den Gehilfenvorsatz entschieden::

 

„Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung im Sinne bedingen Vorsatze mindestens für möglich halten und billigen.“ [H.d.V.]

 

Das heißt, ein Angeklagter müsste seinen angenommenen Tatbeitrag auch als solchen erkannt haben. Die HV hat aber nicht die kleinsten Feststellungen darauf ergeben, dass der Angeklagte H. in dem uferlosen Zeitraum von drei Jahren sich jemals klargemacht hätte, nun im Sinne einer etwaigen gegen das Leben einer anderen Person gerichteten Beitrag zu leisten. Und die Bundesanwaltschaft hat solches bis zum heutigen Tage auch nicht vorgetragen.

Auch die NK argumentiert mit Widersprüchen, denn die Schilderungen des Angeklagten E, bezüglich der angeblichen Positionen, der beiden auf dem Grundstück des Opfers passen nicht zum Schusskanal.

Interessanterweise trat im Schlussvortrag der Verteidigung E zu Tage, dass die Familie der NK den Verteidigern gestatteten, das Anwesen der Familie in Istha zu besichtigen.

 

Lücken:

 

Nicht erwähnt wurden von der GenBuA folgende Erkenntnisse der HV:

-          Der angeklagte E nahm im Juni 2011 an einer Sonnenwendfeier bei einem Zentralgestirn des rechten Aktivismus teil und ließ sich hierbei auf einem Foto ablichten  Herr Ernst ist also mitnichten 2009 aus der Szene ausgestiegen, und es bedurfte sicherlich nicht eines Herrn H. oder überhaupt eines Anstoßes von anderen Personen, damit Herr Ernst wieder Anschluss an die Szene bekam.

-          E hat am Arbeitsplatz rechtsgerichtete Zeitschriften verteilt und Kollegen aufgefordert, an Pegida-Kundgebungen teilzunehmen

-          E verkaufte zwei Arbeitskollegen Waffen, was herauskam und dazu führte, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren

-          Von einem Kollegen verlangte E ein Alibi, da er ursprünglich die Tat bestreiten wollte. Bei einem Haftbesuch dieses Kollegen erwähnte er einen etwaigen Einfluss des Angeklagten H im Sinne der Tat auf ihn nicht.

.

 

 

Feststellungen in der HV, Einzelpunkte

 

Behandelt wurde in der noch folgendes:

-          angebliche Ausspähung des Lübcke-Anwesen im Frühjahr 20118. Dabei konnte der Zeuge, ein Sohn des Opfers den Angeklagten H nicht erkennen, sondern nur grob die gesehenen Personen beschreiben. Die von ihm angegebenen Wetterverhältnisse stimmen nicht mit der Dokumentation des Deutschen Wetterdienstes überein. Außerdem hatte der Zeuge als NK monatelang Gelegenheit, die Aussage des Angeklagten E anzuhören und wirkte in all der Zeit stark emotionalisiert und feindselig gegen den Angeklagten H.   

-          Ein Ermittlungsrichter schilderte die angebliche Reaktion des Angeklagten H. auf den Haftbefehl. Ihm lag jedoch seinerzeit eine andere Verdachtslage zugrunde. Ob der Angeklagte aber wirklich so reagierte, wie der Zeuge sagte, darf bezweifelt werden, denn in seinem Prozessverhalten finden wir Gesichtspunkte, die Anlass geben, beides zu hinterfragen. Er zog ein anderthalbseitiges computergeschriebenes Dossier aus der Tasche, das er nach seiner Aussage „privat“ (sic!) angefertigt habe, weil ihm das Verhalten des Angeklagten H. in höchster Weise auffällig vorgekommen sei, und zwar so sehr, dass es ihm wichtig gewesen sei, das für sich zu verschriften. Wenn es aber so wichtig und nachgerade verfahrensrelevant war, dann durfte der Zeuge darüber keinen Privatvermerk anfertigen, den er der Akte vorhält. Ein Ermittlungsrichter im Amt ist nicht Privatperson, und ein solcher Vermerk gehört in die Akte. Ansonsten wird sie unvollständig. Das ist ein Verstoß gegen den prozessualen Grundsatz der Aktenwahrheit und Aktenvollständigkeit. Außerdem ist der Zeuge mit dem Sitzungsvertreter der GenBuA befreundet.

-          Video: Abgesehen von der Tatsache, dass gegen die Erstellung und Verbreitung des Videos von der Veranstaltung in Lohfelden weder juristisch noch moralisch etwas eingewandt werden kann (s.o.), hatte dieses Video keinen Einfluss auf die Tat. Der Angeklagte Ernst bedurfte des Videos nicht, um von dem Vorgang in Lohfelden Kenntnis zu erlangen. Denn er war ja selbst in Lohfelden dabei! Dieses Video hat deshalb prozessual keinen Erkenntniswert.

-          Kirmes: Der Angeklagte E hat sich ausführlich zum Tatzeitpunkt, einem Kirmeswochenende eingelassen. Zu den angeblichen diesbezüglichen Absprachen wusste er nichts mitzuteilen, Doch wäre das das einzige Detail gewesen, das es überhaupt zu erörtern galt. Denn wenn angeblich schon seit Jahren alles auf die Tötung von Herrn Lübcke hinausgelaufen sein soll, dann wäre als einzig offener Punkt der Zeitpunkt verblieben. Dazu hat Herr Ernst immer wieder angegeben, die Kirmes hätte sich angeboten, weil man unter den vielen Anwesenden nicht aufgefallen wäre. Das ist in der HV kaum hinterfragt worden, aber es ist mitnichten so selbstverständlich, wie es sich anhört; im Gegenteil: Man mag unter vielen Kirmesgängern nicht auffallen. Aber gleichzeitig besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, überhaupt gesehen zu werden. Wenn hunderte an Leuten herumlaufen, muss man doch befürchten, gesehen, vielleicht sogar erkannt zu werden. Auch das Auto kann gesehen werden, es können banale Hindernisse eintreten, damit angefangen, dass man keinen Parkplatz findet, oder im Anschluss an die Tat zugeparkt ist und nicht die Flucht antreten kann. Es mag daher auf der einen Seite, unauffällig sein, während des Rummels in Istha herumzulaufen, auf der anderen Seite aber auch höchst riskant. Es ist nicht vorstellbar, dass es darüber nicht zu Diskussionen zwischen den beiden Angeklagten gekommen sein soll, vor allem nicht, wenn der Angeklagte H. der Stratege ist, als den ihn der Angeklagte Ernst hinstellen möchte. Es ist auch nicht nachvollziehbar, dass Herr Ernst mit Herrn H. erwogen haben soll, Herrn Dr. Lübcke zunächst auf der Kirmes zu suchen und ihn dort ggfs. zur Rede zu stellen. Vorhergehenden Aussagen widersprechend, es sei seit langem, spätestens seit einem Treffen nach einer Veranstaltung im Schützenverein, das der Angeklagte monatelang beharrlich auf April festlegte, und erst als das mit anderen Ergebnissen nicht zusammenpasste auf den Mai verlegte, festgelegt gewesen, Herrn Dr. Lübcke zu töten, hat der Angeklagte Ernst noch einmal in der HV vom 10.12.2020 eine frühere Aussage aufgegriffen, der Abend sei ergebnisoffen geplant gewesen, um diese Kirmesversion plausibel erscheinen zu lassen. Die Kirmes hat jedoch in einem anderen Punkt eine Bedeutung, und zwar eine symbolische. E hatte gesagt

Bei mir war das so, ich dachte: Guck sie dir alle an, guck sie dir an, die feiern da, für die scheint die Welt in Ordnung. Und ich dachte so: Um uns herum sterben doch die Leute, ich möchte, dass der Terror zu ihnen kommt“

 

Zusammenfassung:  

 

Erstens:

 

Beim Angeklagten E ist ein grundlegendes Verhaltensmuster festzustellen: Fehler sucht er bei anderen, denen er die Schuld für eigene Fehler oder Verhaltensmuster zuschiebt:  

  

-       Für die Ausländerfeindlichkeit war sein Vater verantwortlich, da der Angeklagte ihm durch die angebliche Übernahme dieser Anschauung imponieren wollte.  

-       Für den Anschlag auf den türkischen Imam in Wiesbaden im Jahr 1993 war das Tatopfer selbst verantwortlich, weil es Herrn Ernst sexuell belästigt habe.

-       Für den behaupteten Ausstieg aus der rechten Szene waren Kameraden verantwortlich, weil sie seine Frau beleidigt hätten.

-       Für die negativen Folgen der Merkelschen Ausländerpolitik bis hin zu Gewalttaten durch Flüchtlinge war Herr Dr. Lübcke verantwortlich.

-       Für dem angeblichen Wiedereinstig in die rechte Szene und die weitere Radikalisierung war angeblich der Angeklagte H. verantwortlich.

 

Dieses Verhaltensmuster setzte sich im Prozess nahtlos fort:

 

-       Für das erste Geständnis, bei dem er angeblich wahrheitswidrig den Angeklagten H. nicht belastete, war der Verteidiger W. verantwortlich.

-       Für das falsche zweite Geständnis, bei dem er den Angeklagten H. als versehentlichen Schützen benannte, war der ehemalige Verteidiger Hg. verantwortlich.

 

Diesbezüglich hat der Sachverständige ausgeführt.

 

„Herr Ernst hat in der Exploration generell dazu tendiert, die Hintergründe eigener problematischer Verhaltensweisen auf externe Faktoren zurückzuführen.“

 

Zweitens:

 Sowie er andere für eigene Fehler verantwortlich macht, bindet er sie auch bedenken- und rücksichtslos in eigene Straftaten ein:

 

-       Den Zeugen A1. versuchte er für ein falsches Alibi zu missbrauchen

-       Den Zeugen L2 versuchte er für die Hilfe beim Entsorgen der Waffen zu missbrauchen

-       Eben diesen Zeugen missbrauchte er als Abnehmer für Waffen, die er auch noch an der Arbeit verkaufte. So führte er die Entlassung L2s herbei

-       Gleiches gilt für den Zeugen M.    

 

Die Verteidigung sieht darin dasselbe Verhaltens- und Charakterbild, aus dem heraus der Angeklagte Ernst den Angeklagten H. mit einer Tat belasten will, an der er keinen Anteil hat.

 

Drittens:

hat er sich in zahlreichen Punkten widersprochen, Dinge verzerrt, falsch dargestellt oder ist der Lüge überführt:

 

Viertens:

 hat der Angeklagte Ernst sein Aussageverhalten während des gesamten Prozesses, auch schon im Vorverfahren immer dem Erkenntnisfortschritt sowie den Erwartungen, die an ihn gerichtet wurden, bzw. die er angenommen hat, angepasst. Dabei hat er spätestens seit der Aussage der Zeugin BL. am 03.12.2020 eine Art geistigen Ping-Pong-Spiels mit der Nebenklage entwickelt, bei dem sich beide die Bälle zugeworfen haben. Der Angeklagte Ernst hat genau erkannt, dass die Nebenklage mit der Brechstange den Angeklagten H. in die Tat involviert wissen wollte und will. Von der Verbissenheit, mit der die Nebenklage dieses Ziel verfolgt, konnten wir uns noch einmal am 12.01.2021 überzeugen. In der Öffentlichkeit wird es ja seit langem lautstark kommuniziert (s.o).

 

Am Schluss des Verfahrens kam schließlich heraus, wozu der Angeklagte E sein Spiel betrieben hat. In der HV vom 21.01.2020 präsentierte und offenbarte er über seine Verteidigung am 21.01.2021 das durchsichtige Motiv seiner falschen Angaben: Durch die Belastung des Angeklagten H. erhofft er sich Entlastung vom Mordmerkmal der Heimtücke. Dazu brauchte er den zweiten M. am Tatort. Denn sie soll die im Sinne des Mordparagraphen notwendige Arglosigkeit des Tatopfers entfallen lassen. Da das natürlich nur dann etwas nützen kann, um seine Tat vom Vorwurf des Mordes auf den des Totschlages zurückzustufen, hat der Angeklagte Ernst darüber hinaus erklären lassen, dass er, in einer rechten Blase sitzend, sich eingebildet hätte, durch seine Tat etwas für das Allgemeinwohl zu tun. Man kann sich fragen, ob das stimmt oder  konstruiert ist.

   

 Der Angeklagte Ernst neigt zur frisierten Wahrheit und zur Abschiebung der Verantwortung für eigens Verhalten auf andere. Das hat zu etlichen Versionen der Tat geführt, von denen keine einzige für sich stimmt – soweit sind wir uns mit der Bundesanwaltschaft einig – die man aber nicht eklektizistisch zusammensetzen kann, um wie die Bundesanwaltschaft zu einem gewünschten Ergebnis zu kommen. Vielmehr sind schon allein auf objektiv tatbestandlicher Ebene so viel Ungereimtheiten zu Tage getreten, dass der Angeklagte nach dem Zweifelsgrundsatz freizusprechen ist. Da darüber nicht bewiesen werden kann, dass der Angeklagte H. „irgendwann“ oder „spätestens irgendwann“ die erforderliche Vorstellung von der Haupttat hatte, ist für ihn sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt.

 

Er ist freizusprechen.   

 

Ferner beantrage ich auszusprechen, dass der Angeklagte H. für die erlittene Untersuchungshaft nach den Vorschriften des StrEG zu entschädigen ist.

 

 

Dr. Björn Clemens, RA


Hier zum Volltext: https://drive.google.com/file/d/1PJS2XqprjkV5xMkkShVU7miIC2acmvBS/view?usp=sharing